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Die Pilgergraefin

Die Pilgergraefin

Titel: Die Pilgergraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Mittler
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wollen.
    Ausgerüstet mit einem neuen Beutel, der mit Brot, Käse, Trockenfleisch, etwas Dörrobst und Wurzelgemüse und einem kleinen Wasserschlauch gefüllt war, sowie einer neuen Geldkatze, in der sich die restlichen Münzen befanden, die nach den Einkäufen übrig geblieben waren, fühlte Leonor sich gut genug versorgt, um die Reise fortsetzen zu können. An dem Gürtel, der ihre Tunika zusammenhielt, hing in einer Scheide sogar ein kleiner Dolch, den sie vorsichtshalber erworben hatte, um sich verteidigen zu können, denn noch immer steckte ihr der Schrecken des Überfalls in der dunklen Gasse in den Gliedern.
    Als sie am Wegesrand eine Gruppe flacher Felsbrocken entdeckte, beschloss sie, haltzumachen und sich zu stärken. Sie setzte sich auf einen der sonnenbeschienen Steine und begann, in ihrem Beutel zu graben. Tarras, der sie hungrig ansah, erhielt ein Stück Dörrfleisch, sie selbst schnitt sich mit dem Essdolch einen Kanten Brot und einen Brocken Käse ab. Auf ihren Nachtisch, einen saftigen Pfirsich, freute sie sich besonders. Derlei Früchte gab es in ihrer Heimat nur selten.
    Gerade wollte sie sich ein Stück des würzig duftenden Käses in den Mund schieben, da ertönte hinter ihr eine brüchige Stimme: „Junger Herr, habt Erbarmen mit einer alten Frau, die hungert und dürstet.“
    Leonor fuhr herum und gewahrte ein gekrümmtes Weiblein in Nonnentracht, das einen Esel am Zügel führte. Nun, von dieser klapprigen Gestalt drohte ihr gewiss keine Gefahr, und da sie selbst Hunger am eigenen Leibe erfahren hatte, lud sie die Alte ein, sich neben sie zu setzen, und reichte ihr ein Stück Brot. Dem dürren Esel, der ihr leidtat, hielt sie eine der Mohrrüben aus ihrem Beutel hin.
    Gierig schlug die alte Frau die ihr verbliebenen Zähne in den Kanten und kaute ihn schmatzend, während der Esel seine Möhre weitaus manierlicher verspeiste.
    Leonor wunderte sich, dass eine Nonne allein unterwegs war – die ältliche, gebeugte Schwester dauerte sie –, und erkundigte sich, wie es dazu gekommen war, dass die Ordensfrau allein mit einem Esel durch die Lande zog.
    „Ach, junger Herr, so Ihr mir auch noch ein Stück von Eurem Käse gebt, werde ich wohl gekräftigt genug sein, Euch meine Geschichte zu erzählen.“
    Leonor schnitt einen Brocken von dem Laib ab und reichte ihn der Ordensfrau. Dass Tarras dabei warnend knurrte, bemerkte sie nicht.
    Nachdem die Nonne sich gestärkt hatte, rieb sie sich über den Bauch – sie hat erstaunlich kräftige Hände, ging es Leonor flüchtig durch den Sinn –, räusperte sich und sagte: „Ähem, junger Herr, Ihr wolltet meine Geschichte hören. Es ist eine lange Geschichte, doch ich will es kurz machen und Euch nur das Wichtigste berichten. Hier ist sie. Mein Name ist … Clara.“
    Erst jetzt fiel Leonor auf, dass die Ordensfrau Deutsch sprach, wenn auch mit einem starken Akzent.
    „Viele Jahre diente ich in einem Kloster in der Nähe des … Bodensees unserem Herrn. Stets lebte ich gottesfürchtig und befolgte die Regeln des Ordens. Doch eines Tages gefiel es einer meiner Mitschwestern, mich bei der Äbtissin zu den…un…zieren. Angeblich soll ich dem Messwein zugesprochen haben.“ Clara legte eine Hand aufs Herz und hob die andere wie zum Schwur. „Die Hand soll mir verdorren, wenn ich nicht die Wahrheit spreche. Glaubt mir, junger Herr, nie habe ich mich dieses Vergehens schuldig gemacht. Indes schenkte die Oberin meiner Mitschwester mehr Glauben als mir und verwies mich des Klosters.“
    Obzwar Leonor diese Geschichte recht unglaubwürdig fand, wusste sie nicht, was sie dagegen einwenden sollte.
    „Dies liegt nun schon einige Zeit zurück, und seitdem bin ich auf mich allein gestellt, muss sehen, wie ich mich und meinen Esel durchbringe. Zum Glück ist er eine genügsame Kreatur, die nur wenig Nahrung braucht“, fuhr Clara fort.
    Leonor warf einen Blick auf das dürre Tier und dachte, dass ihr ein wenig mehr Nahrung nur guttun könnte. Außerdem fragte sie sich, wie Schwester Clara wohl in den Besitz des Tieres gelangt sein mochte. Gewiss hatte die Oberin sie nicht mitsamt einem Esel aus dem Kloster gejagt. Falls diese Geschichte denn überhaupt der Wahrheit entsprach.
    „Als Ziel habe ich mir gesetzt, gen Rom zu pilgern, bin jedoch noch nicht weiter gelangt als bis hierher. Ich fürchte, bis Rom ist es noch eine sehr weite Wegstrecke“, seufzte Clara.
    Leonor riss die Augen auf. „Wollt Ihr etwa auch zum Grab des Apostels Paulus pilgern?“
    Die Nonne

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