Die Pilgerin von Montserrat
Nacht möchte ich nicht ankommen. Wir sollten uns im Dorfgasthaus einquartieren.«
Nachdem Teresa den Wirtsleuten erklärt hatte, dass sie kein Geist sei und zwei Zimmer wünsche, wurden zwei Betten gerichtet und ihnen zur Verfügung gestellt. Auch die Dorfbewohner in der Schänke legten ihre Scheu ab, nachdem Teresa und Markus ihnen erklärt hatten, dass ein Missverständnis vorgelegen habe. Die Wirtin setzte ihnen ein Essen vor. Sie saßen noch eine Zeitlang beim Schein der Öllampe und redeten miteinander. Teresa senkte die Stimme.
»Ich glaube, mein Onkel hat das mit Absicht getan«, sagte sie.
»Er hatte ewig lang nichts mehr von uns gehört. Vielleicht hat er dich wirklich für tot gehalten.«
»Aber woher kommt dann dieses Dokument? Ich hatte schon damals in Peterszell so ein merkwürdiges Gefühl, wegen der jungen Frauen, die er sich immer nahm und die ihm unbedingt einen Sohn gebären sollten.«
»Du meinst, er ist ein Erbschleicher?«
»Ja, das meine ich. Er hatte doch große Pläne für den Umbau seines Schlosses und der Stadt.«
»Das müssten wir ihm erst einmal beweisen. Und überhaupt, warte doch bis morgen! Bei Tageslicht sieht alles wieder ganz anders aus.«
Die beiden verabschiedeten sich von den Wirtsleuten. Eine Magd leuchtete ihnen die Treppe hinauf. In der Nacht träumte Teresa von einer Schlange, die sich zischelnd auf sie zu bewegte. Bevor ihre Zunge Teresas Gesicht erreichte, wachte sie auf.
Der Weg hinüber zur Burg war gesäumt von dunklen Tannen und Buchen in hellem Grün. Lerchensporn und weiße Anemonen standen unter den Bäumen. So hatte Teresa sich ihre Heimkehr vorgestellt, allerdings nicht von einem solch ungewissen Ausgang bedroht. Am Ende der Hochwiese kam ihr Elternhaus in Sicht. Beim Anblick der Türme und Mauern beschleunigte sich Teresas Herzschlag. Was würde sie erwarten? War Onkel Werner froh, wenn er sah, dass sie unter den Lebenden weilte? Sie trieb ihr Pferd so schnell auf das Torhaus zu, dass Markus ihr kaum folgen konnte.Etwas blitzte auf, und Teresa sah einen unbekannten Hakenschützen mit Sturmhaube und Brustharnisch.
»Wer da?«, schrie der Torwächter. Er trat einen Schritt vor und hob seine Arkebuse.
Teresa erschrak. »Ich bin Teresa von Wildenberg, die Tochter des Froben von Wildenberg, Freiherr und Besitzer dieser Burg«, sagte sie mit fester Stimme. »Und das hier ist mein Begleiter Markus Schenk aus Agenbach.« Sie wies auf den neben ihr stehenden Freund.
»Der Besitzer der Burg ist Werner von Wildenberg. Herr Froben und seine Tochter sind weggezogen und inzwischen verstorben.«
»Was fällt Euch ein?«, fuhr Teresa auf. »Ihr seht mich hier ganz und gar lebendig stehen. Mein Vater, Froben von Wildenberg, ist freilich in der Fremde gestorben …« Sie wandte den Kopf ab, damit der Wächter ihre Tränen nicht sah.
»Niemand wird in die Burg eingelassen, so lautet der Befehl meines Herrn«, sagte der Mann unwirsch und machte eine scheuchende Bewegung mit der Hand.
Teresa wollte sich nicht aufs Bitten verlegen, doch machte sie einen letzten Vorstoß: »Sagt ihm, dass ich gekommen bin, um ihm Nachricht über ein Familienerbstück zu bringen.«
»Ich werde ihm gar nichts sagen, und jetzt endlich fort von hier!«, brüllte der Mann und richtete seine Hakenbüchse auf sie.
Mit erhobenem Kopf kehrte Teresa zu Markus zurück. Das Singen der Vögel erschien ihr wie ein misstöniges Krächzen, die Blumen am Waldboden wie Hohn. Am liebsten wäre sie vom Pferd gestiegen, hätte sich auf den Waldboden geworfen, Hände und Zähne in den schwarzen Humus gekrallt und geschrien wie ein Tier. Aber dieses Schauspiel gönnte sie dem Soldaten nicht und schon gar nicht ihrem Onkel und seinem Gefolge, die vielleicht gerade hämisch grinsend zu einem Fenster hinaussahen. Zu allem Überfluss hatten sich dunkle Wolken vor die Sonne geschoben. Es begann aus dem Blätterdach zu tropfen. Sie stiegen auf ihre Pferde und ritten langsam den Weg zurück, den sie gekommen waren. Der Regenrauschte heftiger nieder. Markus und Teresa waren bald völlig durchnässt.
»Das haben wir nun also erreicht mit unserer Mission«, sagte sie bitter. Bei jedem Schritt der Tiere quatschte der aufgeweichte Boden unter ihren Hufen.
»Ich halte es nicht mehr aus«, sagte Teresa. In ihr tobte und brodelte es. »Es kann doch nicht sein, dass mein Onkel alles an sich gerissen hat, während wir unterwegs waren. Wir müssen ihn anzeigen!«
»Das würde zu nichts führen«, antwortete Markus. »Dein
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