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Die Pilgerin von Montserrat

Die Pilgerin von Montserrat

Titel: Die Pilgerin von Montserrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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Chasselas aus Genf, ein sehr milder Fendant, meinte sie, währendsie zufrieden auf ihre Gäste schaute, denen es hervorragend zu schmecken schien. Als der erste Gang beendet war, räumte die Wirtin das Geschirr ab, brachte eine Schüssel zum Händewaschen und trug den nächsten Gang herein: Fricassée de porc à la genévoise – Ragout aus Schweineschulter und -füßchen.
    Während des Essens begann der Wirt ein Gespräch mit seinen Gästen.
    »Wo seid ihr hergekommen?«, wollte er wissen. »Und wohin soll die Reise gehen?«
    Teresa warf Markus einen Blick zu. Sie überließen zunächst Froben die Gesprächsführung.
    »Wir kommen aus dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation«, sagte ihr Vater. »Genauer aus dem Tal der Donau. Wir pilgern nach Santiago de Compostela, damit uns unsere Sünden vergeben werden.«
    Welche Sünden? War es vielleicht eine Sünde gewesen, diese Reise anzutreten, dem Geheimnis ihrer Vorfahren auf die Spur kommen zu wollen? Ach was, das sagte er sicher nur, um keinen Verdacht zu erregen.
    Das Ehepaar hatte am Tisch gegenüber Platz genommen. Die Öllampe beschien ihre einfachen Kleider, die in Braun und Schwarz gehalten waren.
    »Sind schon lange keine Pilger mehr hier vorbeigekommen«, mischte sich die Wirtin ein. »Und auch sonst gibt es hier kaum Reisende. Wir ernähren uns von unserer Hände Arbeit. Die da unten in Genf, ja, die machen sich einen schönen Tag, lassen die Geldverleiher einnehmen und verprassen alles in den Wirtschaften und mit den Mädchen.«
    »Sag mal, lebst du eigentlich hinter dem Mond?«, fuhr ihr Mann sie an. »Weißt nicht, was in Genf los ist?«
    »Mir erzählt ja niemand nichts Genaues.«
    »Der Bertl-Bauer ist letzte Woche heraufgekommen und hat berichtet, dass sie ein neues Regime haben, einen Kirchenstaat nennen sie das, und da wird jeder, der anders denkt oder nicht zu denAndachten erscheint, eingekerkert, gefoltert, verbrannt und gevierteilt!«
    »Ja, das ist uns bekannt«, sagte Froben.
    »Ich habe jeden Tag Angst, dass einer von denen heraufkommt und uns holt«, sagte die Frau weinerlich und wischte mit einem Zipfel ihrer Schürze über die Augen.
    »So ein Unsinn«, brüllte ihr Mann. »Hier sind wir so sicher wie das Amen in der Kirche, von denen verirrt sich keiner in die Berge!«
    »Seid ihr …«, begann Teresa.
    »Ja, wir sind gute Katholiken geblieben«, versetzte der Wirt, »und erst, wenn ich hier mal etwas Verdächtiges herumschleichen sehe, ziehen wir in die nächste Stadt, nach Annecy. Aber es wird uns nicht leichtfallen, das alles aufzugeben. Wir beide sind hier groß geworden.«
    »Doch schleicht hier Verdächtiges herum«, hielt seine Frau dagegen. »Da waren doch gestern zwei so merkwürdige Reiter da und haben nach drei Reisenden gefragt.«
    Der Wirt starrte Froben, Teresa und Markus an.
    »Und das sagst du erst jetzt?«, donnerte er. »Waren es Gendarmen?«
    »Nein«, entgegnete die Frau mit ängstlichem Blick. »Es waren zwei Reiter mit grauen Kapuzenmänteln. Sie ritten weiter mit den Worten, dass sie noch einmal zurückkehren würden.«
    Es wurde still im Raum. Teresa hörte das Knistern der Scheite im Kamin und ein Klirren wie von einer Kette des Viehs im Stall.
    Heftige Schläge an die Tür rissen sie aus ihren Gedanken.

16.
    Die Tür wurde aufgerissen, und drei bewaffnete Männer stürmten herein. Sie trugen die Uniformen der Gendarmen. Teresa saß wie erstarrt am Tisch. Die Männer pflanzten ihre Hellebarden vor den dreien auf.
    Einer herrschte sie an: »Wie kommt ihr dazu, Alkohol zu trinken? Ihr seid sicher verkappte Katholiken und sauft euren Wein zum heiligen Abendmahl!«
    »Sie sind meine Gäste«, warf der Wirt beherzt ein. »Wein, Bier und auch Branntwein auszuschenken ist hierzulande nicht verboten.«
    »Die drei da sind angezeigt worden.«
    »Von wem?«, wollte Froben wissen.
    »Das tut nichts zur Sache. Ihr müsst mit uns auf die Wache.«
    »Ach, gibt es in diesem Dorf eine Wache?«, bemerkte Markus.
    Teresa bewunderte ihn wegen seiner Frechheit und Kühnheit. Ach, wenn sie doch nicht so ängstlich wäre!
    »Die Wache in der nächsten Stadt. Morgen früh werdet ihr dann dem Scharfrichter vorgeführt.«
    Der Wirt warf einen Blick zur Hintertür. Wie auf ein Zeichen sprangen Froben, Markus und Teresa auf und rannten auf die Tür zu. Hinter ihnen hörten sie Trappeln, Schreie und ein Gerangel, aus dem sie entnahmen, dass sich die Bauersleute den Gendarmen in den Weg gestellt hatten. In Windeseile rannten sie zum

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