Die Pilgerin von Montserrat
haben!«
»Das ist unmöglich.«
»Wir müssen überlegen«, meinte Teresa, »wie es wirklich weitergehen soll. Die Worte des Eremiten gehen mir nicht aus dem Sinn. Auch für die Fremden schien diese Frage sehr wichtig zu sein.«
»Was waren genau seine Worte?«
»Montaña. Der Berg.«
Froben verzog seine Stirn in Falten. Sein Schnauzbart reckte sich nach vorn.
»Das muss nicht ›Berg‹ heißen. Es könnte auch ein Eigenname sein. Es gab oder gibt einen Gelehrten namens Gabriel de Montaña. Ich habe schon Schriften von ihm gelesen. Er hat sich lange in Jerusalem aufgehalten und dort Forschungen über die Kreuzzüge angestellt. Wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht, ist er zuletzt Archivar im Kloster Montserrat gewesen.«
»Heißt das …«
»Es heißt, wir sollten den Pilgerweg verlassen und von hier aus direkt nach Montserrat gehen. Am Meer entlang, über Perpignan, und dann, kurz vor Barcelona, in die Berge.«
Teresa hörte ein Geräusch hinter sich. Sie drehte sich um und erstarrte. In gemächlichem Trab näherten sich zwei Reiter. Sie trugen graue Kapuzenmäntel und Schwerter an der Seite. Warum hatte ihr Schutzgeist sie nicht gewarnt? Vielleicht, weil sie das letzte Mal nicht auf ihn gehört hatte? Froben hatte die Veränderung in Teresas Haltung bemerkt und sich ebenfalls umgedreht.
»Mein Gott …«, sagte er halblaut.
In diesem Augenblick verfielen die Reiter in einen Galopp und hielten direkt auf sie zu. Was konnten sie noch von ihnen wollen? Würden sie ihre Widersacher hier, wo kein menschliches Wesen in der Nähe war, eher töten als in dem Palast, der ja doch vielleicht Ohren hatte? Oder wollten sie nur Froben ermorden, damit sie,Teresa, sie zum Kandelaber führen könnte? Die Böschung rechts von ihnen fiel steil zum Fluss ab, auf der anderen Seite war ein tiefer Graben. Sie steckten schon wieder in einer Falle!
Teresa und ihr Vater begannen zu laufen. Am Hufgetrappel merkte Teresa, dass ihre Verfolger schnell näher kamen. In kurzer Entfernung von ihnen lagen ein paar Boote am Ufer angetäut. Froben nahm Teresas Arm und zog sie die Böschung hinunter. Sie rutschte aus und fiel, war aber gleich wieder auf den Beinen. Die Reiter hielten oben auf der Böschung an. Beide zogen ihre Armbrüste heraus und begannen sie zu spannen. In fieberhafter Eile machte Froben ein Boot los und stieß Teresa hinein, stieß es mit dem Ruder vom Ufer ab.
»Runter mit dir!«, rief er, und sie kauerte sich auf dem Boden des Bootes zusammen. Froben kam neben ihr zu liegen. Zwei Pfeile surrten knapp über sie hinweg. Das Boot wurde von der Strömung erfasst, die wegen des nächtlichen Regens ziemlich stark war, und gewann rasch an Fahrt. Vorsichtig spähte Teresa über den Bootsrand. Die Reiter waren nur noch als kleine Punkte zu erkennen. Sie wendeten und verfolgten sie am Ufer entlang, holten sie jedoch nicht ein. Froben manövrierte das Boot mit dem einen Ruder, Teresa bediente das andere. So gelangten sie bald in die Stadt zurück, landeten an einem gemauerten Kai und machten das Boot fest. Mit zitternden Knien gelangte Teresa an der Seite ihres Vaters zur Herberge. Sie packten, zahlten, holten die Pferde und ritten so schnell es ging aus einem der Stadttore hinaus zu den fernen Bergen hin, hinter denen die Sonne schon untergegangen war.
Nach ein, zwei Stunden erreichten sie ein kleines Bergdorf, wo sie sich für die Nacht einquartierten.
20.
Markus hatte das Städtchen Montpellier seit einigen Stunden hinter sich gelassen. Er war auf dem Weg nach Bédarieux, der nächsten Station des Pilgerweges nach Santiago. Von den Hügeln des Languedoc blies ihm der Tramontana entgegen. Seine Gedanken gingen ständig zurück zu dem, was in Avignon geschehen war. Was war eigentlich passiert? Was hatte er falsch gemacht? Er wollte Teresa und ihren Vater vor Schaden bewahren, davor, sich immer tiefer in eine Idee zu verrennen, die ihnen am Ende nur schaden und niemandem nützen würde. War Santiago de Compostela wirklich sein Ziel? Wie mochte es den beiden ergehen? Waren sie ebenfalls auf dem Pilgerweg unterwegs? Dann brauchte er ja nur zu warten, um wieder zu ihnen zu stoßen. Er wollte die Reise mit ihnen gemeinsam machen. Aber nein, Teresa hatte sich von ihm losgesagt, sie wollte diesen Kandelaber unbedingt finden. Hatte er sich in ihr getäuscht? Oder besaß diese Reliquie eine Kraft, die schon dann zu wirken begann, wenn jemand auch nur von seiner wundertätigen Kraft gehört hatte?
Markus beschloss, seine
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