Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
Christenmenschen zusammen und müsst euch nicht entscheiden und müsst keine Angst haben, in die Hölle zu kommen, weil ihr einen Ungläubigen liebt.«
Leise war Theresa inzwischen in das Zelt getreten. Müde von ihrem Arbeitstag bei den Verwundeten hatte sie sich auf ihr Bettlager gesetzt und still zugehört. Nun blickte sie auf und sagte zu Alice:
»Es ist entschieden. Die Krüppel bleiben in Nikäa.«
Nach Mitternacht wachte Alice auf. Sie hörte, wie Eva sich leise aufsetzte, im Schein der Öllampe nach den beiden Frauen sah und beruhigt, dass Alice und Theresa fest schliefen, heimlich das Zelt verließ.
Die Empörung unter den Pilgerinnen war am nächsten Tag groß. Händlerinnen verbreiteten die Neuigkeit, die Nonne sei ihrem Mann in die byzantinische Gefangenschaft gefolgt. Beim Wasserschöpfen, beim Essenkochen wurde mit bösen Worten über die Schmeicheleien und falschen Hoffnungen, die verbrecherische und unzüchtige Ehe, die Schamlosigkeit und blutschänderische Wollust der Nonne hergezogen.
Alice mochte sich daran nicht beteiligen. Das Wort ›Unzucht‹ hatte sich tief in ihre Gedanken hineingegraben. Es tat besonders weh, dass dieser Türke die Nonne geheiratet hatte.
Irgendwie musste Alice damit fertig werden.
Gegen Abend überwand sie sich und machte sich auf zum Zelt des Grafen Otto von Baerheim, das Bernhard noch immer mit seinem Vater teilte. Bernhards Falke saß vor dem Zelt auf der Jule und sah Alice mit seinen scharfen Augen an. Ein Bursche teilte ihr mit, dass Graf Otto von Baerheim und Ritter Bernhard zu Kaiser Alexios nach Pelekanon aufgebrochen seien, wo sie Geschenke aus der Schatzkammer des Sultans für die Eroberung Nikäas entgegennehmen sollten.
Betreten entfernte sich Alice. Sie empfand es als ein schlechtes Zeichen und demütigend, dass Bernhard zu den Feierlichkeiten geritten war, ohne ihr vorher Bescheid zu geben.
Es blieb ihr nichts anderes übrig, als zu warten, bis Bernhard zu ihr käme. Ein zweites Mal zum Zelt des Grafen zu gehen, traute sie sich nicht. Schon so wäre Bernhard ungehalten und missgestimmt, wenn der Bursche ihm mitteilte, Alice habe nach ihm gefragt.
Endlich kam Bernhard. Schlecht gelaunt, wie Alice schon befürchtet hatte, machte er ihr Vorwürfe. Es mache ihn lächerlich, wenn sie ihn aufsuche. Trotzdem ließ er sich auf Alice’ Bitte ein, gemeinsam auszureiten. In Alice brodelte es, als sie die Hügel um Nikäa hinaufgaloppierten. Für das weite, fruchtbare Land hatte sie keinen Blick, nur für die verschlossene Miene ihres Begleiters. Der sagte in erbittertem Ton und zeigte dabei auf die Felder:
»Die Kornkammer Byzanz’. Wir aber haben sie mit unserem Blut für Kaiser Alexios zurückerobert.«
Es beruhigte Alice, dass Bernhards Zorn letztendlich nur dem Kaiser galt.
Er wollte wohl nicht zu ungnädig sein und erzählte von den kaum vorstellbaren Geschenken, die die Heerführer und auch er selbst erhalten hätten. Diejenigen Ritter, die bisher nicht den Treueid geleistet hätten, wären von Alexios aufgefordert, dies nachzuholen. Nur Tankred habe sich wieder geweigert.
Bernhard lachte. Tankred sei unverschämt geworden und habe lauthals verkündet, er wäre nur dann bereit, Alexios als Lehnsherrn anzuerkennen, wenn dieser ihm ein großes Zelt voller Gold schenken würde. Bohemund habe seinen Neffen mit scharfen Worten für dieses ungebührliche Verhalten zurechtgewiesen.
»Es ist gegen die göttliche Ordnung, wenn Herrschaftsverhältnisse nicht anerkannt werden. Ich habe den Treueid ebenso wie Tankred als Schmach empfunden. Aber ich muss anerkennen, dass Alexios der Kaiser von Byzanz ist, in dessen Hoheitsgebiet wir uns befinden.«
Alice war diese Wendung des Gespräches nicht lieb. Bernhards Unterwerfung unter die göttliche Ordnung sah nicht besonders vorteilhaft für sie aus.
»Mir ist es in den letzten Tagen sehr schwer ums Herz geworden, dass wir in Unzucht leben, dass ich in Unzucht lebe«, verbesserte sie sich, denn für ihn als Mann waren die Grenzen weiter gesteckt.
»Gefällt es dir etwa nicht?«, fragte er leichthin. »Es kann nicht Liebe genannt werden, wenn einer lange um eine Frau wirbt. Man soll zur Liebe eilen. Damit die Aufpasser es nicht merken, bevor sie ihren Willen gehabt und miteinander das Lager geteilt haben, soll man es geheim halten«, gab er eine geläufige Meinung wieder.
»Es ist aber nicht mehr geheim«, erwiderte Alice.
»Nun?«, er hob die Augenbrauen. »Was folgt daraus?«
»Dass ich meine Ehre als
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