Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
meiner Ehe losgesprochen. Er hat mir nur eine leichte Buße auferlegt, weil ich vergewaltigt wurde und gegen meinen Willen verheiratet und zum schändlichen Umgang mit diesem Mann gezwungen worden sei.«
»Ihr wart verheiratet mit einem Türken?« Alice war fassungslos.
Die Nonne nickte, wurde blass und hielt ihre schönen Hände vors Gesicht.
»Er ist Astronom am Hofe des Sultans und hat mich auf dem Sklavenmarkt gekauft. Aber ich war nie seine Sklavin. Erkan hat mich zu seiner Mutter in sein Haus geführt und eine Woche später haben wir geheiratet.«
Dann sagte sie nichts mehr. Nur noch, dass sie endlich schlafen wolle. Eva kauerte sich auf ihr von Alice bereitetes Lager und rollte sich zusammen. In der Nacht hörten Theresa und Alice die junge Frau weinen. Sie ließen die Nonne in Ruhe.
Alice fragte sich, welche entsetzlichen Bilder Eva wohl durch den Kopf schwirrten und wie verwirrend es sein müsste, noch gestern die Ehefrau eines Türken und heute wieder erklärtermaßen Jungfrau und Nonne zu sein. Und dazu stellte sich die Frage, war sie nun Christin oder Muslima, wenn sie einen Moslem geheiratet hatte? Offensichtlich hatte Eva es gut gehabt bei ihrem Mann. Das schöne bunte Seidenkleid, der Goldschmuck, das keineswegs abgehärmte, sondern in ganzer Schönheit erblühte Gesicht, die vollen Wangen und das zauberhafte Parfum, das sie noch immer trotz des Kleiderwechsels umgab, sprachen ihre eigene Sprache.
Schweigend gingen die Frauen morgens zur Messe.
Bedrückt aß Eva ihren Hirsebrei, den Alice ihr mit freundlichen Worten reichte. Das Wenige, was Eva sagte und was Alice und Theresa befremdete, war die Bemerkung, dass sie morgens gewohnt sei, Kaffee zu sich zu nehmen. Das Getränk kannte Alice aus Pera, Bernhard hatte es bisweilen von einem Diener servieren lassen.
Nach einem langen Gebet verbrachte Schwester Eva den Vormittag auf ihrer Decke, hatte sich von Alice abgewandt und starrte gegen die Zeltwand.
Alice ließ sie in Ruhe. Theresa war wie jeden Tag bei ihren Kranken.
Gegen Nachmittag wurde es laut im Lager. Ein Türke, mit ebensolchem grauen Bart wie Heinrich von Ascha, war, ganz in Weiß gekleidet, ohne Waffen und zum Zeichen seiner guten Absichten mit erhobenen Händen ins Lager geritten und bat inständig, die Nonne sprechen zu dürfen.
Er wurde ihr gemeldet: Schwester Eva stand auf, bekreuzigte sich, sprach ein Pater Noster, blieb unschlüssig stehen und nahm gedankenverloren ihr Kreuz in die Hand.
»Ihr müsst ihn nicht empfangen, wenn es Euch quält. Ihr seid Nonne, Ihr müsst nicht mit einem Türken sprechen.«
»Doch ich muss. Es ist gewiss Ahmet.«
Gemeinsam mit Alice trat sie vor das Zelt, um das sich die Schaulustigen nur so drängelten. Ganz vorne standen die Kinder und bohrten vor Aufregung mit ihren Zehen Löcher in den Sand.
Alice beobachtete, wie der Bote erschrak, als er Eva in ihrem Nonnenhabit sah. Hoch aufgerichtet, stand die Christin vor ihm.
Der Türke verneigte sich tief vor ihr. Sodann begann er in seiner fremden Sprache, auf Eva einzureden. Alice verstand nur das Wort ›Christ‹. Am Ende seiner langen, mit Gefühl und dem Willen zu überzeugen gehaltenen Rede verbeugte er sich wiederum. Fließend erwiderte die Nonne in seiner Sprache einige Worte, die ihn nicht ganz unzufrieden machten. Er stieg auf sein Pferd und verließ das Lager seiner Feinde.
Die Nonne verschwand sofort im Zelt, das ihr Schutz vor der gaffenden Menge bot.
»Was soll ich tun?«, klagte sie verzweifelt.
»Ich weiß nicht, was er gesagt hat«, erwiderte Alice.
»Mein Mann hat Ahmet geschickt. Er ist seit Langem der erste Diener des Hauses. Mein Mann bittet mich inständig, zu ihm zurückzukehren, er könne ohne mich nicht leben. Er liebt mich wirklich. Erkan hat mich zu seiner rechtmäßigen Ehefrau gemacht, obwohl er wusste, dass ich geschändet war. Mein Mann verspricht mir, Christ zu werden, sobald er aus byzantinischer Gefangenschaft befreit ist.«
Sie schwieg und dachte wohl über seine Liebe und sein Versprechen nach.
»Und Ihr, liebt Ihr ihn auch?«
»Was soll ich darauf antworten? Was erwartet Gott von mir?
Natürlich hatte ich, so, wie ich es gelernt hatte zu denken, unablässig Gewissensbisse, weil ich in einer verbotenen, unzüchtigen Ehe lebte. Aber kann denn eine Ehe unzüchtig sein, wenn die Eheleute sich lieben? Hat nicht Gott alle Menschen geschaffen und liebt sie?«
Sie brach ab, drehte sich von Alice weg und sagte nur noch:
»Ihr habt es gut. Ihr lebt mit
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