Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
und will Jerusalem von den Ungläubigen für unseren Herrn Jesus Christus befreien und mein Gelübde erfüllen. Danach kehre ich zurück, möglichst reich.«
»Und dann?«, fragte Alice und biss sich auf die Lippen. Wie konnte sie nur fragen. Hoffentlich sagte Bernhard nicht:
›Und dann werde ich eine reiche adelige Frau heiraten‹.
Er aber antwortete: »Bis zum Tod meines Vaters, bis ich also selbst unsere Grafschaft als Lehen empfange, will ich etwas für meine Familie tun. Ich beabsichtige, unsere Besitzungen um die des Stadtgrafen von Passau zu erweitern.«
»Ihr wollt die Burg von Ulrich Vielreich belagern?«, fragte Alice zweifelnd.
»Nein, ich will ihn töten.« Bernhard lachte. »Wusste ich doch, dass du dich erschrickst. Töten ist nicht nach deinem Geschmack.«
Alice schluckte. Sie fühlte sich unbehaglich. Ein guter Mensch zu sein, war offenbar keine Auszeichnung in den Augen Bernhards. Und mit so einem Mann war sie zusammen, der einen Mord Monate, vielleicht Jahre im Voraus plante?
Von Zweifeln geplagt, kaute sie an ihren Nägeln.
Bernhard nahm ihr den Finger aus dem Mund und sagte ernst:
»Nicht doch. Was du nur alles Schlechtes von mir denkst.
Wenn ich dich jetzt berühren und mit dir schlafen wollte, du würdest dich verweigern. Das erste Mal. Alice, Alice, was sind das für Mätzchen.«
Er trank einen Schluck Wein, drehte sich ihr wieder zu und fasste ihren Arm.
Alice entwand sich ihm, setzte sich kerzengerade auf die Bettkante und fischte mit den Füßen nach ihren Schuhen.
»Willst du denn gar nicht erfahren, was ich mir so unter Töten vorstelle?«
»Was denn? Wollt Ihr gegen den Grafen Krieg führen oder ihn hinterrücks des Nachts ermorden?«, fragte sie gereizt.
»Nein, Raub und Mord hinterlassen einen schlechten Eindruck. Die Angelegenheit lässt sich eleganter erledigen. Sogar alle, ganz Passau, der bayerische Adel, ja selbst Kaiser Heinrich wird mir recht geben, denn ich will meine Ehre verteidigen.«
»Hätte die jemand jemals verletzt? Und dann Graf Ulrich?«
Alice zog die Stirn kraus, setzte sich aber wieder zu Bernhard aufs Bett.
»Nun bist du im Zweifel, was du von mir halten sollst. Ich kann dich beruhigen. Mir bleibt gar keine andere Wahl. Die Sache verhält sich so«, begann er. »An dem Abend, als wir bei deinem Vater in Passau zu Gast waren und du mir durch deine außerordentliche Schönheit aufgefallen bist …«
»Keine Schmeicheleien, keine Unwahrheit bitte«, unterbrach Alice ihn.
»Also gut, als ich dich überhaupt nicht beachtet habe … Auch nicht richtig?«
»Erzählt doch einfach, was sich zugetragen hat.«
»Am Abend vor unserem Aufbruch aus Passau sind mein Vater und ich zur Messe in den Dom gegangen. Ulrich, der seinen Grafentitel noch nicht lange trägt, stieß vor den Augen der anderen adeligen Kreuzfahrer meinen Vater zurück, drängte sich vor und nahm meinem Vater den berechtigten Vortritt in das Gotteshaus. Der Abt ist Zeuge. Da ich schon das Kreuz genommen und meinen Eid abgelegt hatte, habe ich auf einen sofortigen Zweikampf verzichtet.«
Bernhard schwieg.
Alice schwieg auch. Eigentlich lag es ihr auf der Zunge: ›Und weiter?‹ zu sagen und: ›War das alles?‹
»Wie in der Nibelungensage«, bemerkte sie endlich. »Weil Kriemhild und Brunhild sich um den Vortritt in den Dom streiten, wird Siegfried ermordet und Tausende von Rittern werden getötet.«
»Und hier gibt es lediglich einen Zweikampf zwischen zwei Männern, bei dem einer von beiden sterben wird«, bemerkte er trocken.
Alice blieb die Luft weg.
»Warum kämpft Euer Vater nicht selbst? Er war es doch, dessen Ehre verletzt wurde?«
»Fürsten tragen keinen Zweikampf aus, wenn es sich nur irgend vermeiden lässt. Ich aber muss mir meinen Ruhm noch erwerben.«
»Also bringt Ihr Euch willentlich in Gefahr«, stellte Alice scharf fest.
»Natürlich, besonders, da ich von vornherein darauf bestehen werde, dass nur der Tod, Ulrichs oder mein Tod, den Zweikampf beendet. Ich werde ihn also rechtmäßig vor aller Augen, vor den Nobiles der Stadt Passau und dem bayerischen Adel töten. Auch vor deinen, wenn du Lust hast.«
Alice schauderte. Gleichzeitig reizte es sie.
»Alles um des Ruhmes willen?«, fragte sie nach.
»Ruhm ist für einen Adeligen das Wichtigste«, sagte Bernhard nachdenklich. Dann fügte er in ironischem Ton hinzu: »Ich gehe allerdings davon aus, dass Ulrichs Lehen nach seinem Tod an mich fällt.«
»Ist das nicht hinterhältig?«, wagte Alice
Weitere Kostenlose Bücher