Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
einzuwenden. Erschrocken hielt sie sich den Mund zu. Bernhard Hinterlist vorzuwerfen, würde ihn wegen der Ehrverletzung – und sei es auch nur durch eine Frau – sicher rasend machen.
Bernhard drohte ihr jedoch lediglich mit dem Finger.
»Ulrich wünscht mir mit Sicherheit den Tod. Insgeheim hofft er, dass die Türken für ihn das erledigen. Wenn er milde gestimmt ist, stellt er sich vor, dass ich im Heiligen Land bleibe. Und im Übrigen nimmt er an, dass nach dem Kreuzzug alles vergessen ist, was jedoch nicht der Fall sein wird.«
»Und Ihr seid Euch sicher, dass Ihr gewinnt?«
»Das entscheidet Gott.«
»Ist Ulrich ein guter Kämpfer?«, fragte Alice.
»Er ist Ritter wie ich«, antwortete Bernhard.
Aber er ist zu Hause im friedlichen Passau und nicht auf dem Kreuzzug, dachte Alice.
»Neben der Gnade Gottes gehört zum Gewinnen die Lust am Leben. Wer nicht gerne lebt, verliert im Zweikampf. Schöne Frauen zu hofieren, gilt deswegen als äußerst nützlich.«
»Frauen?«, fragte Alice zurück.
»Natürlich nicht in der Mehrzahl. Eine schöne Frau genügt.«
»Warum tut Ihr mir das an?«
»Was? Ich werde nur für dich kämpfen.«
Alice sah ihn ungläubig an.
»Das meine ich nicht.«
»Ich weiß nicht, warum ich dir das antue«, murmelte Bernhard, während er das Schachbrett behutsam auf den Boden stellte. »Aber du bist mir doch wieder gut? Ja?«
Alice nickte und strich Bernhard sanft, fast mütterlich, über das Gesicht.
Während Bernhard sie nun küsste und mit ihr aufs Bett sank, hingen Alice’ Gedanken noch jenem Grafen Ulrich nach, dessen Lebenszeit sich um jeden Tag verkürzte, den Bernhard näher nach Jerusalem und damit zurück nach Passau kam.
Doch dann durchzuckte es Alice, ihr blieb fast die Luft weg bei dieser Verlockung: Sofern Bernhard auch in Zukunft keinen legitimen Sohn hätte, dann, ja dann würde ihr, Alice’ Sohn, von Bernhard rechtmäßig anerkannt werden. Und dann, ja, dann würde ihr Sohn Herr über zwei Grafschaften werden.
Von dieser Vorstellung berauscht, befolgte Alice den Rat einer Nonne, deren medizinisches Lehrbüchlein sie in Passau im Apfelgarten an einem heißen Sommertag gelesen hatte. In dem Abschnitt über die Liebe hatte die kluge, mit allen Heilpflanzen wohl bewanderte Nonne geschrieben: Wenn der Mann und die Frau jung und gesund sind und beide in heißem Verlangen zueinander höchste Lust empfinden, dann wird ein starker Junge gezeugt.
Hell leuchtete der Komet am nächtlichen Himmel über dem eroberten Heraklea. Es schien den Pilgern, als funkelte er in Form eines Kreuzes, als erstrahlte er zum Zeichen des Sieges und der Verheißung mit der Spitze nach Osten.
Alice betrachtete die Himmelserscheinung. Sie stand ganz eng neben Bernhard und fühlte für einen Moment seine Hand, vielleicht ein letztes Mal für lange Zeit. Mit ganzem Herzen hoffte sie, dass dieser Komet auch ihre Wünsche bestätigen würde, um deren Erfüllung sie insgeheim und heftig betete.
Dann kam vier Tage später die Trennung. Bernhard und Alice machten kein Aufhebens davon. Es wäre selbst für Ehegatten unschicklich. Jedenfalls zeigte Godvere kaum Gefühl, als sie Balduin nicht mit zur Kilikischen Pforte begleitete, sondern mit den Hauptheeren Richtung Nordosten aufbrach.
Alice war guter Dinge, auch wenn ihr nicht klar war, warum sie den Umweg über das Anti-Taurus-Gebirge machen würden, wo es schon im Frühherbst Schnee geben konnte. Der Umstand jedoch, dass sie durch ein von Christen bewohntes Gebiet zogen, die sie als Freunde begrüßten und von denen sie Nahrungsmittel genug kaufen konnten, kam in Verbindung mit der baumreichen, angenehmen Landschaft ihrem erhofften Zustand sehr entgegen. Wissen tat sie nichts. Fühlen tat sie alles.
An einem Berghang wurden die Zelte aufgeschlagen. Es war eine schöne, wildreiche Gegend, so ganz zur Jagd geeignet. Die Ritter nahmen mit Vergnügen Bogen und Köcher, umgürteten sich mit dem Schwert und bestiegen die waldigen Bergeshöhen.
Die Frauen blieben im Lager zurück, kochten, nähten, spielten mit ihren kleinen Kindern, hockten zusammen und unterhielten sich. Alice saß etwas abseits und hing ihren Gedanken und Gefühlen nach. Während sie so ganz in sich gekehrt mit sich allein war, setzte sich Theresa zu ihr auf den warmen, felsigen Boden. Theresa schwieg eine Weile und schaute in die sonnige Landschaft. Sie wirkte verlegen, so als brenne ihr etwas auf der Seele.
Alice legte ihren Arm um die Freundin und erleichterte ihr den
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