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Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Bohm
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höchste Lust empfinden, ein Kind empfangen wollen und dabei den Tod eines anderen Menschen erhoffen?
    »Oh, Gott«, betete Alice, »verzeih mir, verzeih meinem Kind, verzeih um Bernhards willen, der von all dem Schändlichen nichts gewusst hat.«
    Trostlos ging Alice vor sich her. Stunde um Stunde. Rast wurde erst gegen Abend gemacht. Ein Aufatmen ging durch die Menge der Pilger, als die byzantinischen Führer sie zu einer Höhle führten, in der die durchnässten, erschöpften Menschen die Nacht verbringen konnten. Man lagerte sich, Feuer wurden gemacht, man aß gepökeltes Fleisch mit dicken Bohnen.
    Martin und Theresa nickten Alice zu und winkten sie zu sich heran. Beide hockten zusammen unter einer Wolldecke, die sie am Feuer getrocknet und nun einander um die Schultern gelegt hatten. Alice setzte sich dazu. Doch das innige Beisammensein Theresas und Martins machte sie noch trübseliger.
    Niemals, so musste sie denken, niemals würde sich Bernhard öffentlich, vor allen Menschen, mit mir unter eine Decke kuscheln. Es machte ihm nichts oder nur wenig aus, wenn sie vor den Augen seiner Zeltgenossen miteinander schliefen – das taten ja alle – aber so eine Vertrautheit, Zärtlichkeit, die wäre ihm peinlich.
    Alice schluchzte auf, sodass Martin und Theresa sie erschrocken anblickten.
    »Verzeiht«, sagte Alice und erhob sich.
    Ich jammervolle Frau, dachte Alice, während sie an den Essenden, Schlummernden, Schlafenden vorbei aus der Höhle schlich. Nicht einmal nach Passau in mein Vaterhaus kann ich zurück, niemals werde ich das Geld haben, um es wieder vom Kloster auszulösen.
    Alice trat hinaus in die Dunkelheit auf den schmalen, glitschigen Saumpfad, unter ihr die Schlucht. Einen Fuß falsch setzen und sie würde ausgleiten, fallen, tiefer und tiefer in den Abgrund, – dann der Aufschlag – , endlich wäre alle Qual vorbei.
    Es war Alice, als hörte sie den Schrei ihrer Mutter, wie sie die Steintreppe beim Tanzsaal hinunterstürzte. Es schien ihr, als riefe Felicitas sie, ihre Tochter …

    Die Beerdigung war vorbei. Alle hatten sich entfernt, am eiligsten Balduin, der gar nicht rasch genug vom Grab seiner Frau wegkommen konnte.
    Auch Alice hatte den kleinen Gottesacker in Marasch verlassen, war dann aber wieder umgekehrt und stand nun vor dem Grab Godveres. Die junge Frau starrte auf die Erde, in die der eiligst zusammengezimmerte Sarg versenkt worden war. Und wie sie so starrte, drängte sich das Bild der toten Godvere auf. Schön sah sie aus, bleich und friedlich. Friedlich? Blut gespuckt hatte sie bis zum Schluss. Und Balduin, ihr Ehemann, der noch gerade rechtzeitig ans Sterbebett aus dem fernen Kilikien herbeigeeilt war, hatte sie ihn überhaupt noch bemerkt?
    Da drin liegt sie nun, sann Alice, umkränzt mit Blumen, in ihrem kostbarsten Kleid, aber ganz ohne ihren Schmuck. Den hat Balduin behalten, natürlich, dachte sie bitter.
    Alice blickte hinauf, geradewegs in den blauen Himmel hinein.Warm lag die Sonne auf ihrem Gesicht, auf ihren Schultern. Ihr Kleid war wunderbar trocken.
    Ist sie dort glücklicher? Ist man dort wirklich glücklich im Paradies, wenn man ein sündenfreies Leben geführt hat wie Godvere und auf dem Kreuzzug gestorben ist?
    Alice fürchtete sich ein wenig vor der Ewigkeit. Sie war ihr viel zu lang und sie wunderte sich, dass sie noch vor Kurzem die Sehnsucht verspürt hatte, sich einfach fallenzulassen, einen Augenblick die Leichtigkeit des Schwebens zu spüren und dann – der Aufschlag – tot.
    Alice zog ihr braunes Wolltuch fester um die Schultern. Ohne sich umzudrehen, bemerkte sie, dass jemand näher kam, und sie wusste, es war Bernhard.
    »Hier bist du«, sagte er und nahm Alice’ Hand.
    »Er hat seine Godvere gar nicht geliebt. Balduin hat seine Frau überhaupt nicht geliebt.«
    »Wie sollte er«, entgegnete Bernhard. »Sie hat als Frau versagt.«
    »Weil sie ihm keinen Sohn geschenkt hat?«
    »Wozu sind denn Frauen sonst da?«, entgegnete er, wenn auch nicht hart, so doch bestimmt. Alice zuckte zusammen, sie ließ seine Hand los und wandte ein:
    »Godvere war doch noch so jung und sie war schön und gebildet und …«, ›reich‹ wollte sie sagen. Aber von diesem Reichtum würde Balduin ja nichts ohne einen Sohn erben.
    Bernhard schüttelte den Kopf. »Alice, Alice, was hast du für Vorstellungen von dem Zweck einer Ehe.«
    Er lachte. »Graf Balduin von Hennegau ist der Einzige, von dem ich weiß, dass er sich geweigert hat, eine reiche Frau zu heiraten, weil

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