Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
Vorstellung und auch ein wenig schlecht, warum kauft er mir so etwas Kostbares? Oder hatte Bernhard doch eine andere Frau gehabt, vielleicht nicht nur einmal, sondern jeden Tag, solange er sich in Tarsos aufhielt. Oder war die Frau sogar durch Kilikien mitgezogen, war ihm jede Nacht zu willen gewesen, bis Bernhard sich kurzerhand vor Marasch ihrer entledigt hatte?
Bernhard bezahlte und schmückte stolz Alice’ widerspenstiges, lockiges Haar. Alice jedoch fühlte sich gequält und unglücklich und wusste nicht, ob es sinnlose Hirngespinste waren, die sie da marterten. Nur über eine Sache war sie nicht im Zweifel, Bernhard würde ihr niemals, aber auch niemals die Wahrheit so sagen, dass Alice ihm glauben könnte. Selbst dann nicht, wenn überhaupt nichts geschehen war.
Wie mit den Ohrringen, durchfuhr es sie. Niemals würde sie erfahren, was wirklich mit der Frau damals bei der Plünderung von Selymbria geschehen war und welchen Anteil Bernhard an ihrem Tod hatte. Um Gottes willen, und nun erwarte ich ein Kind von ihm, schoss es ihr durch den Kopf.
»Was ist, Alice? Freust du dich gar nicht?«
»Doch, doch«, nickte sie.
»Na ja«, kommentierte er und ging schlecht gelaunt neben ihr her.
Dann jedoch hielt er Alice vor einem Torbogen am Arm zurück, deutete mit dem Blick auf den mit Steinen gepflasterten Platz und meinte:
»Da müssen wir nicht hingehen.«
Umringt von einer Menschenmenge, wurden Balduin und einige Ritter von Herzog Gottfried verabschiedet. Die Männer umarmten sich und gaben sich herzlich den Bruderkuss.
»Balduin zieht nach Edessa, zusammen mit Bagrat, dem Armenier. Er will dort den ständigen Überfällen der Ungläubigen ein Ende bereiten.«
»Mit so wenig Berittenen?«
Bernhard zuckte die Achseln und sagte: »Na und?«
»Und Ihr seid nicht dabei?«
»Ich habe mich schon vor der Beerdigung von ihm verabschiedet«, sagte Bernhard knapp.
»Habt Ihr Euch mit ihm gestritten?«
»Alice, stell nicht solche Fragen. Oder, warum eigentlich nicht. Nur lass uns von hier fortgehen.«
Sie drängten sich durch eine enge Gasse zum Stadttor hinaus, bis sie weit außerhalb der Stadtmauer zu einem Bach gelangten, an dessen dicht bewachsener Böschung sie sich niederließen.
»Ihr hattet also Unstimmigkeiten mit Balduin in der Zwischenzeit?«
»So kann man es auch nennen. Das ganze Heer hatte eine Wut auf ihn, vom geringsten Fußsoldaten bis zu den Rittern, sogar sein Cousin Balduin de Le Bourg hat sein Verhalten missbilligt. Also, Balduin hat 300 von Tankreds Fußsoldaten und Rittern vor den Stadttoren von Tarsos von den Türken niedermetzeln lassen. – Das glaubst du nicht?«
»Doch, doch.« Alice nickte, sie konnte sich so etwas von Balduin schon vorstellen.
»Das kam so: Wie du weißt, wollten beide, Balduin wie auch Tankred, eine Herrschaft in Kilikien für sich errichten. Tankred nun hatte um Verstärkung seiner Truppe gebeten. Balduin, der Tarsos bereits besetzt hatte, verweigerte Tankreds Männern nicht nur den Einlass in die Stadt, sondern sogar die Verpflegung. Besonders Balduins niedere Soldaten konnten das nicht mit ansehen und ließen heimlich Lebensmittel an Stricken die Stadtmauer hinunter. Tankreds Männer lagerten also vor der Stadt. Nachts aber wurden sie im Schlaf von den Türken überfallen. Sie schrien und flehten, man möge doch das Stadttor öffnen. Balduin verbot es und ließ sie nicht hinein. Wir standen auf der Befestigungsmauer und haben miterlebt, wie unsere eigenen Leute niedergestochen wurden.«
»Oh, großer Gott!«, jammerte sie. Es kamen ihr die Tränen, Alice zog schluchzend die Nase hoch.
»Ich halte Balduins Verhalten für niederträchtig«, fügte Bernhard hinzu. »Deshalb habe ich mich in jener Nacht mit Balduin gestritten, ziemlich heftig. Es hat aber nichts genutzt. Er hat trotzdem das Tor nicht geöffnet, sondern unsere Männer, Christen!, von den Ungläubigen massakrieren lassen. Ich bin mir nicht sicher, ob überhaupt einer von den Männern draußen mit dem Leben davongekommen ist«, meinte er bekümmert und beobachtete, dass Alice diese moralische Einschätzung nur zu gerne hörte.
»Danach waren alle gegen Balduin.«
»Ich sah ihn aber heute Morgen erhobenen Hauptes durch Marasch reiten. Allzu sehr scheint ihm diese Gemeinheit nicht geschadet zu haben«, wandte Alice ein.
»Natürlich nicht. Denn Balduin wäre nicht er selbst«, fuhr Bernhard fort, »wenn er nicht sogleich einen Vorteil für sich ergattert hätte. Also, die Empörung hatte sich
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