Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
Boden.
Bernhard sah ihn angewidert an und sagte: »Nicht hier. Das solltest du wissen.«
»Verzeiht!« Kaspar blickte beschämt nach unten.
»Also?«
»Ihr wisst, was geschah. Alle Männer, die das Holz transportiert haben, sind gestern auf dem Rückweg vom Hafen von den Ungläubigen niedergemetzelt worden. Irgend so ein Schweinehund hat den Plan an die Türken verraten. Diese Hurensöhne, diese Lecker, Täuscher, diese Spitzel!«, brach es aus dem Jungen hervor. »Die Teufel sollen sie holen, auf dass sie ewig in der Hölle braten. Immer reden die Einheimischen freundliche Worte und lächeln einen an und schwupps, drehen sie einem den Rücken zu, haben sie uns schon verraten. «
Der Junge machte ein zorniges Gesicht und sackte dann in sich zusammen.
»Als der Ritter, der dem Gemetzel entkommen war, ins Lager jagte und überall die Menschen erschrocken aus den Zelten kamen und hörten, dass alle Männer, die zu dem Transportzug gehörten, erbarmungslos hingeschlachtet worden waren, da habe ich gebetet, mein Vater könnte entkommen sein. Meine Hoffnung war, dass Herzog Gottfried und all Ihr Ritter euch sofort gerüstet habt und in den Kampf gegen diese Kläffer gezogen seid, um unsere Väter zu rächen und das Baumaterial wiederzuerlangen.
Am Abend nach der Schlacht und Eurem Sieg bin ich über die Schiffsbrücke gegangen, um meinen Vater zu suchen. Der Fluss war rot vor Blut und überall schwammen Leichen.
Sie haben meinem Vater den Kopf abgeschlagen und den anderen Männern auch.«
Der Junge sah nun ganz verloren aus. Es war, als hätte er Bernhard ganz vergessen.
»Nun?«
»Ich bitte Euch, helft mir. Ich möchte mich unter Euren Schutz begeben.«
Bernhard hob fragend die Augenbrauen.
»Wir Jungen haben uns letzte Nacht getroffen. Wir sind ganz viele, die keine Eltern mehr haben, und wir wissen nicht, wovon wir leben sollen. Niemand beachtet uns, niemand kümmert sich um uns. Um nicht zu verhungern, haben wir uns in Banden zusammengeschlossen und einen Anführer gewählt. Dieser nennt sich nach einem der Heerführer. ›Bohemund‹ oder ›Gottfried‹ oder ›Stephan de Blois‹ oder nach einem anderen großen Krieger. Überall im Lager erzählt man sich von Euren ruhmreichen Taten gestern im Kampf.«
»Ich dächte, man erzählt sich vor allem, dass Herzog Gottfried einen gepanzerten Türken bis zur Brust mit einem einzigen Schwertstreich in zwei Teile hieb.«
Der Junge schüttelte den Kopf.
»Man erzählt sich, wie Ihr im blutigen Kampf zuerst die räuberischen Ungläubigen in die Flucht geschlagen habt und dann, als Yaghi-Siyan einen Ausfall aus Antiochia machte, im stürmischen Ritt mitten in die Feinde hineingebrochen seid und sie auf der Brücke niedergemacht und zurück bis in die Stadt gedrängt habt.«
Nur schlossen sich vor uns die Stadttore, dachte Bernhard sorgenvoll.
Er bemerkte: »Ich denke, das war das Werk der Ritter aller Heere.«
Der Bub machte eine flehentliche Gebärde, indem er seine Hand zum Herzen führte.
Bernhard betrachtete Kaspar prüfend. Seine Kleidung bestand aus Lumpen, die allerdings geflickt waren. Der Junge stank.
»Warum sollte ich das tun, dich ernähren? Ich kenne dich gar nicht.«
»Nein, ich gehöre nicht zu dem Heer des Herzogs Gottfried von Bouillon. Meine Eltern sind mit dem Grafen Walter von Poissy auf Pilgerfahrt gegangen und haben uns Kinder mitgenommen.«
»Warum?«
»Wir sind gottesfürchtige, fromme Leute. Wir wollten Jerusalem von den Ungläubigen befreien und in das himmlische Jerusalem eingehen.«
»Das wollen wir alle«, entgegnete Bernhard. »Aber jeder von uns hat auch einen eigenen persönlichen Grund, aus dem er das Kreuz genommen hat.«
»Meine Eltern waren unfreie Bauern des Grafen von Poissy. Wir sind arme Leute. Schon in den letzten Jahren wussten wir kaum, wovon wir uns im Winter ernähren sollten. Dann aber kam die große Hungersnot, gerade in dem Jahr, als die Heere sich zur großen Pilgerfahrt versammelt haben. Da hat mein Vater beschlossen, dass wir uns auf den Weg machen in das Land, in dem Milch und Honig fließt.«
»Mit der ganzen Familie? Wie alt war dein jüngstes Geschwisterchen?«
»Ein und ein halbes Jahr.«
»Und deine Mutter war schwanger?«
»Gerade nicht mehr. Sie war noch im Wochenbett. Es war eine Totgeburt.«
»Also? Was war der Anlass für eure Entscheidung?«, fragte Bernhard.
»Es war so, dass mein Vater wegen der Missernte die Abgaben an den Grafen Walter von Poissy nicht leisten konnte. Er bat den
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