Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
sodass das Kettenhemd rasselnd zu Boden fiel. Alice öffnete ihm die Schnüre seines Gamboison.
»Ihr habt auf dem Rücken einen großen blauen Fleck«, sagte sie und zeichnete mit dem Finger den äußeren Rand nach.
Bernhard stand jetzt nackt da, während sie sich wieder auf ihr Bettlager setzte.
»Na, was war nun mit dem Kopf?«, fragte Alice.
»Nervenzusammenbruch«, erwiderte er. »Zuerst machte Humberge auf mich einen vernünftigen Eindruck. Sonst hätte ich sie niemals zu dem Schlachtfeld geführt. Sie sagte, sie habe schon so viele Tote auf dieser Pilgerfahrt gesehen, sie könne den Anblick eines Schlachtfeldes, auch nackter, geköpfter Moslems, sehr wohl ertragen. Später, auf dem Weg zur Eisernen Brücke, erzählte sie mir, sie sei die treibende Kraft gewesen, sie habe ihren Mann überredet, sich dem Heer Gottes anzuschließen. Als junges Mädchen sei sie sterbenskrank gewesen, habe sogar die Letzte Ölung empfangen, dann aber habe sie vor dem Priester ein Gelübde abgelegt. Wenn sie wieder gesund würde, werde sie eine Pilgerfahrt nach Jerusalem machen. Ihr Mann Walo widersetzte sich zunächst ihren Wünschen, weil er bei einer so langen Abwesenheit um seine gute Stellung am Hofe des Königs fürchtete. Nun macht sie sich Vorwürfe, sie sei schuld am Tode ihres Mannes. Ich hätte es ahnen müssen, dass sie zusammenbricht, verrückt wird, als sie mir auch noch unschicklicherweise anvertraute, Walo sei ihr Geliebter und ihr Gemahl gewesen. Fürwahr, eine Seltenheit. Ich hätte umkehren sollen.«
Er drehte sich zu Alice, während er sich trocken rubbelte.
»Stell dir vor, Humberge warf sich über seinen Kopf, schluchzte, weinte. Das ging ja noch. Dann aber galoppierte von irgendwoher Walos Pferd heran. Der Fuß des Toten hatte sich im Steigbügel verfangen, sodass er nicht vom Pferd gefallen war. Nur der Rumpf auf dem jagenden Pferd, das an uns vorbeiraste. Als ich es endlich eingefangen hatte, Humberge hatte ununterbrochen geschrien, da griff sie sich Walos Schwert, beschimpfte es, dass es seinen Herrn nicht beschützt habe, und wollte sich schließlich damit umbringen. Ich konnte sie nur davon abhalten, indem ich sie darauf aufmerksam machte, im Falle des Selbstmordes hätte sie ihr Gelübde gebrochen und würde gewiss in die Hölle kommen, ihr Mann jedoch in den Himmel, sie würde ihn deshalb im Jenseits nicht wiedersehen.
Die ganze Strecke zurück nach Antiochia hat sie den Kopf ihres Mannes im Arm gehalten und dabei weiter ununterbrochen geschrien. Ich war kurz davor, sie ohnmächtig zu schlagen.
Die Frau eines Ritters darf sich so nicht benehmen. Sie weiß, dass jeder Kampf der letzte sein kann und dass wahrscheinlich eines Tages jemand kommt, der stärker ist als ihr Geliebter. Der Tod kämpft immer mit.«
Er machte eine Pause und schien über diesen Tag nachzudenken, der auch ihn treffen würde. »Alice«, sagte Bernhard und setzte sich neben sie auf ihr Lager.
»Ich bitte dich, verhalte dich maßvoll und würdig, wenn ich eines Tages nicht mehr zurückkomme.«
Er griff nach ihrer Hand. »Versprich es mir.«
»Bernhard«, entgegnete sie klug. »Ihr habt mir versprochen, mich lebendig nach Jerusalem zu bringen. Wie könnt Ihr dann sterben?«
»Dann eben später«, entgegnete er ausweichend.
Der Gedanke an ein Später war verwirrend.
»Jedenfalls«, sagte er, stand auf und zog angewidert seine stinkende Kleidung an.
»Jedenfalls floss aus ihrer Nase und aus ihren Augen Blut. Blut, wie bei Kriemhild, als der ermordete Siegfried tot auf der Schwelle zu ihrem Schlafgemach lag. Du kennst ja die Sage?«
»Das wisst Ihr doch. Die kennt auch jeder in unserer Gegend. Mir hat sie Martha erzählt, Martins Mutter, die Magd meines Vaters. Sie war nach dem Tode meiner Mutter die eigentliche Herrin über das ganze Haus. Gewundert habe ich mich, dass Martha immer auf der Seite Brunhilds stand, obwohl die böse war und Hagen zum Mord an Siegfried angestachelt hat. Ich vermute, weil die schöne Kriemhild die starke Brunhild tödlich beleidigt und sie eine Kebse genannt hat. Mir lief es immer kalt den Rücken runter, wie Martha das Wort aussprach: Kebse . Eigentlich hatte ich ja Mitleid mit diesen Frauen, die zwar verheiratet waren, aber anders als bei eine Munt- und Friedelehe keine Rechte hatten, fast wie eine Sklavin dem Mann unterworfen waren. Bei Martha hatte das Wort jedoch einen wilden, zornigen Klang. Martha hatte auch lange schwarze Haare wie Brunhild und sie war ebenfalls eine starke Frau. Sie
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