Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
Körper und seine Kraft.
Das war es. Alice passte nicht auf und stach sich vor Zorn in den Finger.
Das war es. Die vier Männer wollten gar nicht nur schwimmen, sie waren auf anderes aus. Entsetzliche Vorstellung, dass Bernhard es jetzt mit einer anderen Frau trieb, während sie jeden Augenblick mit ihrer Niederkunft rechnen musste.
Gespürt hatte sie die Veränderung, das Heimliche, das Bernhard vor ihr verbergen wollte, als sie neulich in sein Zelt trat, um die Näharbeit abzuholen. Das Gespräch verstummte, die Männer sahen sie an, sie fühlte sich fehl am Platz. Alice nahm hastig Bernhards Jacke und ging schnell zum Ausgang. Doch während sie noch das Zelt verließ, hörte sie Bernhards Freund und Zeltgenossen Balduin von Hennegau sagen:
»Geh doch zu den Mägden.«
Das war es. Ritter, adelige Herren, ob verheiratet oder nicht, gingen zu den Mägden.
Die Ehe war sowieso nur Pflicht zur Erzeugung eines legitimen erbberechtigten Sohnes und hatte mit Liebe nichts zu tun.
Sie aber, Alice, war nicht einmal Ehefrau, sondern betrogene Geliebte.
Alice seufzte. Sicher, es war sein gutes Recht, sich als Mann Ausgleich zu verschaffen.
Trotzdem, es tat weh. Bevor Bernhard das Lager verließ, war er kurz zu Alice ins Zelt gekommen. Auf ihre Frage, ob es noch andere Gründe für seinen Ritt zum Meer gäbe als schwimmen, hatte er knapp geantwortet, das ginge sie nichts an.
Und nun saß sie da mit ihrem dicken Bauch in ihrem Elend und der unerträglichen, stickigen Luft, dabei unverheiratet und allein gelassen.
Einen Augenblick konnte Alice nicht begreifen, warum sie nicht den Kaufmann mit den fünf Kindern geheiratet hatte. Dass er wesentlich älter war, machte eigentlich nichts. Denn schließlich war er fast das ganze Jahr fort, entweder in Italien, um Ware zu besorgen, oder in Norwegen und gar Island, um seinen Weihrauch zu verkaufen. Weihrauchhandel machte reich. Jede Kirche, die im hohen Norden errichtet wurde, war eine Geldeinnahme.
Sie aber, Alice, würde von allen Menschen, die zum Haus des Kaufmanns gehörten, als rechtmäßige Ehefrau geachtet. Sie hätte Schlüsselgewalt, würde über das Gesinde bestimmen und zudem noch das Handelsgeschäft leiten, solange ihr Mann fern wäre. Jeder, der im Dienste ihres Mannes stand, hätte ihr zu gehorchen.
Stattdessen hatte sie das Kreuz genommen, saß nun vor Antiochia fest und keiner wusste, ob sie Antiochia jemals einnehmen oder hier krepieren würden. Alice machte ganz kleine, hastige Stiche vor Verletztheit und Wut.
Wie konnte Bernhard ihr nur so wehtun.
»Woran hast du denn gedacht?«, fragte Theresa, die ungesehen eingetreten war und sich zu ihrer Freundin auf das Bett setzte.
»Hast du mich erschreckt!«
»Böse Gedanken darfst du nicht haben, und das kurz vor der Geburt. Du weißt, dass all deine Gedanken und Gefühle sich auf dein Kind übertragen. Deine Freude, deine Liebe und deinen Schmerz und Hass empfindet dein Kind auch und es wird sein ganzes Leben dadurch geprägt.«
»Sage das den Männern, nicht mir.«
»Weißt du, ich habe so viele Geburten miterlebt. Und eines ist sicher: Niemals in seinem Leben, in keinem Augenblick ist ein Mann so hilflos wie in jenen Stunden, während derer seine Frau ein Kind gebiert.«
»Frau«, bemerkte Alice höhnisch.
»Ja, Frau, du bist Bernhards Frau.«
»Männer dürfen bei der Geburt ihres Kindes nicht einmal dabei sein. Sie müssen vor der Kammer oder vor dem Zelt stehen, hören das Stöhnen, das Schreien. Hast du dir schon einmal überlegt, dass in diesen Augenblicken bei der Geburt alle Männer gleich sind. Selbst wenn eine Königin ihr Kind gebiert, umgeben von ihrem weiblichen Gefolge, muss der König draußen warten. Da unterscheidet er sich nicht vom Bettelmann.
Männern bleibt nichts anderes übrig, als zu hoffen und zu beten.
Und das geschieht nun Rittern, Männern, die sonst fast alles mit dem Schwert bewältigen können. Sie haben das Fehderecht, sie führen Krieg, ja, jede Beleidigung können sie mit dem Schwert ahnden. Das Schwert gibt ihnen Macht und Stärke, selbst dann, wenn sie es nicht gebrauchen. Es verleiht ihnen das Bewusstsein, jeden Gegner besiegen zu können.
Bei der Geburt aber hilft ihnen das Schwert nicht. Der Kampf einer Geburt ist nicht der des Schwertes, nicht der des Mannes. Und hier nun werden die Männer wie Frauen. Sie sind es, die geduldig sein und alles ertragen müssen, was da geschieht.
Ich habe häufig Männer erlebt, die das nicht ausgehalten haben, die sich
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