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Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Bohm
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Reitpferd ihres Vaters, führten sie mit. Die beiden jungen, aber stark wirkenden Soldaten ritten je vor und hinter dem Wagen. Das mächtige Paulustor wurde eben geöffnet.
    »Nach Jerusalem«, erklärte der Vater stolz dem Wächter.
    Jetzt, da sie aus der befestigten Stadt hinausfuhren, blickte sich Alice doch noch einmal um, sah das Wehr aus Granitbruchsteinen mit dem Zinnenkranz als oberen Abschluss und dem breiten, wasserreichen Graben davor. Es hieß, die Grundmauern der Befestigungsmauer sollten aus der Römerzeit stammen, also schon aus der Zeit, als Jesus in Jerusalem gekreuzigt wurde. Und sie war auf dem Weg dorthin!
    Der Vater blickte nun wieder missmutig drein. Er regte sich darüber auf, dass der Bischof noch immer keine Befestigungsmauer um die Vorstadt hatte bauen lassen, und noch mehr ärgerte es ihn, dass es keine Brücke über den Inn gab und sie ziemlich lange auf den Fährmann warten mussten, der Mühe hatte, sein Floß über den reißenden Fluss zu ziehen.
    Auf dem Weg zum Castellum Boiodurum begegnete ihnen Elias. Zum ersten Mal überkam Alice ein hochmütiges Gefühl. ›Ha! Nächstes Jahr in Jerusalem!‹, rufen sich die Juden zu. Ihr aber, ihr Juden, werdet Jerusalem nicht sehen, ich aber, die Christin.
    Dann wurde sie nachdenklich. Es fiel ihr ein, dass Tausende von Juden in Mainz, Trier, Worms und Speyer im Mai und Juni unter der Führung Emrichs von Leiningen von verwilderten Kreuzzugsfahrern erschlagen, ermordet worden waren. Zwar waren einige Banditen gefasst worden und der Bischof von Speyer hatte ihnen sogar die Hände abschlagen lassen, aber das hatte die Diebe und Mörder keineswegs aufgehalten. So hatte ein Wüstling namens Gottschalk mit seinen Anhängern Regensburg erreicht und dort die Juden gezwungen, zum Christentum überzutreten, wenn sie nicht getötet werden wollten. Vorsichtshalber hatte der Abt den Juden der Umgebung von Passau Schutz angeboten. Alice hatte die verängstigten Menschen gesehen, wie sie, mit Bündeln beladen, den Weg zum Kloster hinaufzogen.
    Alice schreckte auf.
    »Du hast Elias nicht gegrüßt«, wurde sie von ihrem Vater getadelt.
    »Er ist immer freundlich zu dir gewesen und hat dir sogar ein seidenes Tuch geschenkt.«
    Die Ermahnung traf Alice und dazu war sie verunsichert, was sie denken sollte. Sie sollte höflich zu Juden sein, befand sich aber auf einer bewaffneten Pilgerfahrt nach Jerusalem, hatte einen Beutel mit Geld bei sich, von dem sie ihrem Vater nichts abgeben durfte, und hatte überdies ein ungutes Gefühl, wenn sie an Martin dachte. Dazu stand ihr noch die Reise mit Tausenden bevor, die sie sich zu dem jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht vorstellen konnte. Aber das Pilgerheer würde sicher ein erhabener, gottgefälliger Anblick sein, besänftigte sie ihre Bedenken und Ängste.

    Alice’ Vater stieß einen Fluch aus. Sie hatten nach den Strapazen des mühsamen Fortkommens auf schlammigen Wegen endlich das Lager des Herzogs Gottfried von Bouillon an der ungarischen Grenze erreicht. Der Vater bereute offensichtlich seine unbeherrschte Gemütsregung, denn er bekreuzigte sich sofort und schickte ein ›Ave-Maria‹ und ein ›Paternoster‹ hinterher. Alice hörte ihn deutlich »Vergib uns unsere Schuld« sagen. Dennoch – er war entsetzt über den Anblick, der sich ihnen von einer Anhöhe aus darbot.
    Menschen – eine unendliche Menge – so weit das Auge reichte. Tausende, Zehntausende mochten es sein, die dort lagerten. Als geübter Kaufmann berechnete er unwillkürlich die Anzahl der Personen und die Mengen an Nahrungsmitteln, die sie benötigten, und den Unrat, den sie verursachten. Wenn jeder Ritter mindestens drei Pferde besaß, ein Schlachtross, ein Reitpferd und ein Packpferd, und viele, wie der Herzog von Bouillon, führten weitaus mehr Pferde mit sich, so würde allein die tägliche Versorgung der Tiere kaum zu bewältigen sein.Wie aber würde es erst werden, wenn in Konstantinopel auch die anderen Heere hinzukämen?
    Es graute ihm davor, aber es war damit zu rechnen, dass sich zusammen mit den anderen Heeren 60.000 Menschen – Ritter, Fußsoldaten, Bedienstete, Frauen und Kinder – auf den Weg nach Jerusalem gemacht hatten. Viele von ihnen waren mittellos wie Martin, der ganz davon abhängig war, dass er, Karl, genug Geld hätte, ihn zu ernähren. Alice’ Vater schloss einen Augenblick die Augen: Hungersnöte waren vorauszusehen und wahrscheinlich unabwendbar.
    Er nahm sich zusammen.
    Erst einmal, das war jetzt Karls

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