Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
Seite. Doch zu spät. Er wurde hart von einem Totenträger angerempelt, die Leiche fiel vom Brett. Unter Beschimpfungen half er, sie wieder auf die Trage zu legen. Unglücklich blieb Martin stehen und sah dem Leichenzug nach, der davonhetzte.
Nur fort. Er musste raus aus diesen Gassen, über denen gelb, stinkend und bleiern die Seuche lag. Er musste ins Freie. Doch wenn Martin erhofft hatte, am Flussufer Linderung zu finden, so vermehrte sich hier die Qual ins Unermessliche. Nie hatte er sich vorstellen können, wie der Abt und seine Mutter ihn zeugten. Sie waren zwei Pole, die niemals hätten zusammenfinden dürfen. Doch jetzt, während Martin Steine aufhob und sie voller Zorn in das dunkle Wasser warf, da wusste er es, da sah er es. Nein, nicht, wie der Abt, der damals noch Daniel hieß und höchstens gerade 17 Jahre alt war, im Bett auf seiner Mutter lag und Martha einen zärtlichen Kuss auf den Mund drückte, nein, Martin schaute etwas viel Grauenhafteres und er ahnte, es war wahr.
Er sah das Brautbett Karls und Felicitas’, geschmückt mit Blumen, mit roten Rosen, deren Dornen die Mägde entfernt hatten. Nun an ihrem Hochzeitstag lag die zierliche Braut hingestreckt auf einem schneeweißen Laken und ihr Haupt mit den wilden feuerroten Locken ruhte auf einem seidenen Kopfkissen. Mit weit aufgerissenen Augen blickte sie entsetzt Karl an, der sie begatten sollte und sich schwer und massig über sie beugte. Dicht gedrängt umstanden die Hochzeitsgäste das Lager, die Eltern der Braut, ihre Schwiegereltern, der Priester und wer sonst Rang und Namen in Passau besaß. Und inmitten dieser Neugierigen – Daniel. Als nun der Brautvater mit befehlender Stimme seine Tochter aufforderte, die Beine nicht aneinanderzupressen, sondern für ihren Gatten weit zu öffnen, und Karl sich mühte, in sie einzudringen, da hielt es Daniel nicht mehr aus, drohte mit erhobener Faust und stieß die Worte aus: ›Wenn ihr wüsstet, was ich jetzt tun werde!‹, diese Worte, die ihm von Böswilligen immer noch als Fluch ausgelegt wurden. Daniel hatte jedem widersprochen, der sie unbedacht vor ihm äußerte, war rot vor Zorn geworden und hatte dem Beleidiger mit der Faust gedroht, bereit, sich mit ihm aufs Blut zu schlagen. Jetzt wusste Martin, es war tatsächlich ein Fluch.
Damals lief Daniel mit seinen schönen, bunten Kleidern, dem halblangen schwarzen Haar wie besinnungslos aus dem Hochzeitsraum, er stieß die Bediensteten zur Seite, die neugierig gaffend vor der offenen Tür standen, musterte sie forschend, doch Martha, die Lieblingsmagd Karls, war nicht dabei. Er hastete in die Küche, wo nur der Koch und eine alte, zahnlose Magd in großen Töpfen rührten, damit das Essen nicht anbrannte. ›Martha?‹ Sie zuckten die Achseln. Nicht gesehen, keine Ahnung. Weiter. Daniel hetzte die Holzleiter hinauf zu Marthas Kammer, pochte wie wild dagegen, nichts, horchte. Stille. Wütend stampfte er mit dem Fuß auf. Dann durchfuhr es ihn.
Der Keller. Sie ist im Keller.
Und wirklich kam ihm in dem dunklen, nur von einer Fackel erleuchteten Tonnengewölbe die Magd Martha entgegen. Sie trug einen Weinkrug aus Ton, den sie sofort erschreckt absetzte. Drohend, zornig, entschlossen kam er auf sie zu, immer näher. Martha wich zurück.
›Daniel!‹, rief sie flehend.
›Schweig!‹ fuhr er sie an. Jedoch es war nicht die Stimme des Jungen, der dies befahl, es war die des Abtes. Er trug auch nicht mehr die bunten Hochzeitskleider, sondern die schwarze Mönchskutte. Es war der Abt, der dunkel und unerbittlich auf die junge Frau zuschritt, Martha wich weiter zurück.
›Was wollt Ihr von mir?‹, stieß sie angstvoll hervor.
›Dich.‹
›Ich bin Jungfrau!‹, rief sie voller Furcht in ihrer Seelennot.
›Umso besser‹, erwiderte der Abt, packte sie bei den Handgelenken, drückte zu und stieß sie mit dem Rücken gegen den groben, kalten Stein der Wand.
Martha schrie, schrie.
Er lachte. ›Schrei du nur, dich hört hier keiner. Du bist ganz allein mit mir.‹
Martha wand sich. Je mehr sie kämpfte, ihre Hände freizubekommen, desto fester und erbarmungsloser wurde sein Griff. Sie trat nach ihm.
Er schlug sie ins Gesicht, sagte kopfschüttelnd lächelnd: ›So, so.‹
Mit zusammengekniffenen, grausamen Augen blickte der Abt Martha ins Gesicht.
›Du bist meine Sklavin‹, sagte er hart und kalt, sodass sie vor Furcht erbebte.
Mit Befriedigung sah er ihre Erregung und trat so dicht an sie heran, dass sie sein Geschlecht fühlen
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