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Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Bohm
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nicht, dachte Martin.
    Doch dann ließ er alle Vorsichtsmaßnahmen fallen. Es ist alles gleich, ging es ihm durch den Sinn. Martin verzichtete auf Deckung, fing an zu laufen, fest entschlossen, auf einer der beiden Leitern die Mauer zu erklimmen. Er lief schneller. Jetzt hatte er die vorderste Linie erreicht. Mit der Rechten erfasste er die Leiter.
    Da, ein Geschoss traf ihn hart an der Brust und zerplatzte. Es roch süßlich herb. Eine gelbliche Flüssigkeit rann an seinem Kettenhemd herunter. Eine Limone.
    Die Türken über ihm auf der Mauer brachen in Gejohle und Gelächter aus und katapultierten weiter Limonen auf die Männer unter ihnen. Martin fühlte den Saft zwischen seinen Fingern. Er hatte den Angriff für einen Augenblick vor Verwirrung vergessen, als er von Bienen umschwärmt und von einer in den Finger gestochen wurde.
    »Das ist nicht wahr!«, rief Anselm ihm in dem Geschrei zu. »Die Türken attackieren uns mit Bienenstöcken.«
    Rückzug. Graf Raimond brauchte ihn nicht zu befehlen. Die Männer flohen vor Pfeilen, Bienen und Limonen in ihr Lager, das sie am Abend zuvor in aller Eile aufgeschlagen hatten.
    Martin ließ sich vor seinem Zelt nieder. Er saugte an seinem Finger und seufzte.
    »Limonen sollen gut gegen Bienenstiche sein. Nur leider habe ich nichts mehr von dem Saft.« Der Finger schwoll immer mehr an. Bis jetzt hatte er nichts von seiner Unverträglichkeit gegenüber Bienenstichen gewusst. Er vermutete, dass er Fieber bekäme.
    Anselm ließ sich neben ihm nieder.
    »Habt Ihr gehört, Bohemund soll heute Nachmittag mit seinem Heer als Verstärkung kommen.«
    Martin schüttelte den Kopf. »Das kann nur Streit geben.«
    »Milde ausgedrückt. Hoffentlich bringen wir uns nicht noch mal gegenseitig um.«
    Die Männer schwiegen.
    »So schlimm wird es wohl nicht kommen«, meinte Martin endlich. »Bohemund hat schließlich feierlich einen Eid ablegen müssen, dass sein Ehrgeiz die Pilgerfahrt nicht behindert und gefährdet. Er platzt nur vor Eifersucht, weil Graf Raimond Albara eingenommen hat und nun auch noch als äußersten Stützpunkt vor Syrien dieses Maarat für sich erobern will.«
    »Wodurch unsere linke Flanke besser gedeckt wäre«, versuchte Anselm, des Grafen Raimonds Angriff auf die Stadt zu rechtfertigen.
    »Quatsch, der denkt keinen Augenblick an die Pilger. Dem sind wir Arme scheißegal«, fluchte eine Frau, die zufällig vorbeikam und ihr säugendes Kind an der Brust hielt. Sie stellte sich nun drohend vor den beiden Männern auf und sagte zornig:
    »Hier gibt es nichts zu fressen. Wenn der Sturmangriff mit Bohemund auch scheitert und wir Maarat an-Numan belagern sollen, dann verhungern wir.«

    Martin bekam, wie befürchtet, hohes Fieber und musste kurzfristig ins Krankenlager. Es schien ihm, nur damit er die Klagen des Bischofs von Orange hörte, dass der überwiegende Teil der Einwohner von Maarat an-Numan die Bedingungen der Übergabe der Stadt ablehnte, obwohl sie nur einen fränkischen Gouverneur anerkennen müssten und dafür das Versprechen erhielten, ihr Leben und ihr Besitz werde verschont. Obgleich vollkommen eingeschlossen, vertrauten sie auf ihren Gott, der sie beschützen würde. Es war zu deutlich, wie lächerlich der Bischof diesen Schutz fand, wobei auch er nicht unter dem besonderen Schutz Gottes zu stehen schien, denn Martin musste noch erleben, dass der Bischof vor Hunger und Entbehrung starb.
    Was Martin plagte, war ebenfalls der Hunger, nicht nur sein eigener, sondern der aller Pilger. Kaum war Martin wieder aus dem Krankenlager entlassen und bei seinem Zelt angelangt, da traf er die Frau mit dem säugenden Kind, jedoch ohne ihr Kleines. Er sah sie mehrmals, immer ohne ihren Jungen. Die Frau blickte ihn verbittert an, so als könne er irgendetwas dafür, dass ihr Kind gestorben, er aber noch am Leben sei.
    Die Belagerung dauerte nun über eine Woche, der Dezemberregen durchweichte die Zelte und die Kleidung. Es war alles wie vor einem Jahr vor Antiochia, nur viel schlimmer, denn trotz ihrer ausgedehnten Streifzüge fanden sie nichts Essbares. Wenn Martin morgens aufwachte, dann gab es nichts, was er essen könnte. Und wenn er sich abends hinlegte, hatte er den ganzen Tag gehungert. Niemand aber ahnte, dass die Menschen von Maarat an-Numan begannen, die Christen für ihre Standhaftigkeit zu bewundern.
    Was die Pilger empfanden, war Verzweiflung, Hunger, Hass. Aber vor allem Hunger.
    Als Martin sich wieder einmal von der vergeblichen Suche nach Nahrung dem Lager

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