Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
an. Ihr seid ein großer Herr.«
»Und Euer Freund. Und ein Christ, wie Ihr. Vor Christus sind wir alle Sünder.
Kommt, aber nicht hier.«
Die beiden Männer verließen das Lager in Richtung eines Waldes, dessen Bäume weitgehend gefällt waren, da das Holz für den Belagerungsturm benötigt wurde.
Es war unwahrscheinlich, dass sie hier jemandem begegneten.
»Wie Ihr wisst«, begann Anselm, »ist meine Frau schon vor vielen Jahren gestorben. Meine Tochter Agnes wird bis zu ihrer Heirat im Kloster erzogen.
In all den ziemlich einsamen Jahren habe ich bisweilen überlegt, mich wieder zu verheiraten. Aber um bloß eine Erbtochter zu heiraten, dazu bin ich zu reich. Und aus Liebe?« Anselm schüttelte den Kopf.
»Der eigentliche Grund jedoch war, dass ich später nicht zwei Frauen im Himmel haben wollte. Lacht nicht, für die meisten ist das kein Grund, und der Apostel Paulus sagt ja auch, dass wir ganz und gar verwandelt seien. Es sei, wie es sei, ich blieb jedenfalls allein.«
Er räusperte sich und Martin wartete ab.
»Nun ja, also, natürlich. Es ist also so. Einer meiner unfreien Bauern hatte, nein hat eine sehr schöne Frau. Sie fiel mir auf, als der Bauer seine Abgaben an Getreide, Gemüse, Hühnern und so weiter bei mir auf der Burg abliefern musste.
Da bot sie mir einen gewebten Stoff an, nicht als Abgabe, sondern damit ich ihn kaufte. Er gefiel mir sehr. Er war hauchzart. Obwohl aus Wolle, war er wie Seide, und ich schenkte ihn meiner Tochter.
Alors. Ich zog Erkundigungen über die Bäuerin ein, was nicht schwer war. So erfuhr ich, dass sie einmal im Monat ihre Stoffe auf dem Markt anbietet. Wiederholt ritt ich zu ihrem Stand und kaufte ihr einen Großteil ihrer Waren ab.
Nun, ich wusste auch, dass sie am Markttag immer allein die weite Strecke geht.
Nach einigem Zögern entschloss ich mich. Ich schickte meinen langjährigen Knecht, wir kannten uns schon als Kinder. Er fing sie frühmorgens auf ihrem Weg zum Markt ab und befahl ihr in meinem Namen, auf die Burg zu kommen.
Dort führte er sie ohne Umwege in mein Schlafgemach. Sie wusste also genau, was auf sie zukäme. Da sie sich für eine ziemlich lange Zeit allein in dem Raum befand, hätte sie ihn ohne Weiteres verlassen und fortgehen können. Das war mir wichtig. Sie aber setzte sich aufs Bett und trank von dem Wein, den ich für sie bereitgestellt hatte, und aß von dem Gebäck und wartete.
Ich muss zugeben, es fällt mir noch immer schwer, diesen Morgen zu bereuen.
Jedenfalls, in der Zwischenzeit ließ ich ein Mahl für Anna und mich bereiten. Wir haben zusammen gegessen und dann ging sie. Die Stoffe habe ich ihr abgekauft zu einem guten, jedoch nicht übertrieben hohen Preis.
Es wäre auch alles nach Wunsch verlaufen, wenn nicht am Abend die Nachbarin sich bei Annas Schwiegermutter nach ihrem Befinden erkundigt hätte. Sie sei nicht auf dem Markt gewesen und sicher krank.
Das Ganze flog auf. Der Bauer erschien am nächsten Tag bei mir auf der Burg und verlangte, in Zukunft geringere, wenn nicht gar keine Abgaben mehr entrichten zu müssen. Dafür könne ich seine Frau …, ich verstünde schon.
Die Schwiegermutter aber schlug Krach. Sie erzählte es überall herum und brachte es vor den Erzbischof Manasse von Reims. Nun haben Manasse und ich ein freundschaftliches Verhältnis. Er riet mir, mich für längere Zeit auf eine Wallfahrt zu begeben. Santiago de Compostela in Spanien wäre naheliegend gewesen. Als Kind jedoch hatten meine Eltern mich auf eine solche Pilgerfahrt mitgenommen und ich sehe immer noch die Füße einer Frau vor mir, die von Dänemark bis Spanien Erbsen in ihren Schuhen hatte, um die Qualen Jesu Christi nachempfinden zu können.
Da rief Urban zur bewaffneten Pilgerfahrt auf. Es war mir viel lieber, mit Rittern zusammen gen Jerusalem zu reiten, als noch einmal das selbst auferlegte Martyrium von Christen zu erleben, die nicht bedenken und erkennen, dass Gott es selber ist, der uns in die Nachfolge ruft und auch die Leiden gibt.«
»Jedenfalls ist aus dem fröhlichen Ritt geworden«, fügte Martin schmunzelnd, sarkastisch hinzu, »dass wir in Antiochia, statt auf Pferden zu reiten, ihr Fleisch gegessen haben und jetzt schon wieder das Blut unserer Pferde trinken.«
»Ja«, sagte Anselm düster. »Ich habe noch anderes gehört.«
»Ich habe es gerochen und gesehen.«
Barfuß, im weißen Büßerhemd, schritt Graf Raimond von Toulouse vor seinem Heer durch den kühlen Januarmorgen gen Jerusalem, die brennende
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