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Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Bohm
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hier gab es kein Wasser, nichts als trockenes Gestein.
    Alice beobachtete, wie die Heerführer mit dem alten, würdevollen Sarazenen, der sie seit Tripolis treu und ohne Falsch sicher geleitet hatte, mittels des Ritters Herluin sprachen. Der Sarazene zeigte nach oben, ins Gebirge. Und bald ging ein freudiges Rufen durch die Reihen der Pilger. Kinder, Frauen und Männer gewannen neue Kraft. Wasser gäbe es. Wasser gäbe es in Emmaus. Das Wort ›Emmaus‹ ging wie süßer Wein über die Lippen der Menschen. Nach drei Jahren ein Ort, wo Jesus wirklich gewesen war. Psalmen, Hymnen erklangen. Die Hitze, die Müdigkeit, der Durst waren unwichtig. Jesus Christus war das Ziel aller Seligkeit.
    Alice schüttelte den Staub von ihrem Rock, nahm den Jungen in ihren Arm und flüsterte liebkosend:
    »Wir gehen nach Emmaus, Hanno. Da ist der Herr seinen Jüngern erschienen, unser Herr Jesus Christus. Du verstehst das noch nicht. Aber es ist wunderbar, dass wir dort Wasser finden werden.«
    Das Pferd übergab sie der Kinderfrau, setzte dann den Jungen sogar auf ihre Schultern, ermahnte ihn: »Gut festhalten« und ging raschen Schrittes voran.
    Jesu Gang von Jerusalem nach Emmaus. Kaum eine biblische Geschichte hatte Alice als Kind so gerne gehört wie diese. Lebhaft und deutlicher als ihre tatsächliche Umgebung sah sie die Bilder vor sich: den Gekreuzigten, den Totgeglaubten, wie er in dieser kargen Gebirgslandschaft zwei Jüngern begegnet. Niedergeschlagen, verzagt, hoffnungslos gehen sie den steilen, steinigen Weg herab von Jerusalem. Unerkannt tritt Jesus an sie heran, gesellt sich zu ihnen, fragt wie ahnungslos:
    ›Was sind das für Dinge, die ihr miteinander verhandelt unterwegs?‹
    Da bleiben sie traurig stehen und antworten verwundert:
    ›Bist du der Einzige unter den Fremden, der nicht weiß, was in diesen Tagen geschehen ist?‹
    Jesus aber fragt: ›Was denn?‹
    Sie erzählen dem Unerkannten von der Kreuzigung, von Jesu Tod, vom leeren Grab und ihrer Hoffnung, er wäre ein Prophet gewesen und werde Israel erlösen. Nun sei er hingerichtet worden. Es sei wohl doch nichts gewesen mit Jesus.
    Der Unbekannte hört sich ihre kummervollen, ihre verzweifelten Worte in Ruhe an und dann legt er ihnen das Wort Gottes aus, erklärt, dass der Messias leiden musste. Der leidende Sohn Gottes am Kreuz, am Erleiden erkenne man den Retter, den Heiland.
    Es wird Abend. Jesus stellt sich, als wolle er weiterziehen. Die beiden Jünger bitten den Fremden, ins Haus zu treten und mit ihnen zu essen.
    ›Bleibe bei uns, denn es will Abend werden und der Tag hat sich geneiget.‹
    Wie oft hatte Alice diese Worte gebetet und gehofft, Jesus möge sie in der Nacht mit seinen Engeln beschützen.
    Jesus setzt sich zu den beiden Weggefährten an den Tisch, spricht das Dankgebet, bricht das Brot und gibt es ihnen. Da, da endlich erkennen seine Jünger ihn, Jesus, ihren Herrn.
    In jenem Augenblick aber entschwindet Jesus.
    Alice war es immer ganz wohl und seltsam geworden, wenn sie diese Geschichte hörte. Das Geheimnis, der Fremde, der sich nicht zu erkennen gibt und doch der Geliebte ist. Das Schöne daran war, so fand sie es immer, dass Jesus die Bibel auslegt, eigentlich gar nichts Wunderbares tut, nicht mit Blitzen um sich schlägt, nichts Übernatürliches vollbringt, sondern einfache Worte spricht. Er erzählt von Ereignissen, Vorausdeutungen, Zeichen, die den Jüngern seit ihrer Kindheit vertraut waren. Es ist auch nichts Außergewöhnliches, was Jesus tut, damit sie ihn erkennen. Das Brot zu brechen, war so notwendig wie alltäglich. Es war nicht die Kraft des Mutes, der Waffen, der Wunder. Das Brot brechen, das Brot geben, das kann jede und jeder, das tat sie jeden Tag, ihrem Sohn das Brot brechen. Gemeinsam am Tisch zu sitzen, zu essen, das ist Friede. Wann hatte sie es das letzte Mal getan, am Tisch in Frieden zu sitzen, wenn es allmählich Abend wird und der Tag sich neigt. Irgendwann, es lag weit zurück, irgendwann an einem Sommerabend mit Martin. Natürlich nicht nur mit ihm, sondern mit ihrem Vater, Martha, den Schreibern und dem Gesinde, das sich zur Abendandacht versammelt hatte. Irgendwann früher einmal in Passau hatte sie Frieden gekannt.

    Das war alles vergangen. Wirklichkeit war, dass sie jetzt ein Kastell erreichten, das Emmaus genannt wurde, wo aus zwei der vielen Quellen sogar warmes Wasser sprudelte und es genug Futter für die Pferde gab. Ehrfürchtig ging Alice durch den Ort, blieb vor der zerstörten Basilika stehen,

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