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Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Bohm
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Bouillon?« Alice zeigte in Richtung Emmaus. Die Männer nickten und ritten weiter. Alice sah ihnen verwundert nach, bis sie hinter einer Wegbiegung verschwanden.
    Es war noch nicht einmal die Länge einer Mahlzeit vergangen, als Alice die Männer auf ihren Eseln wieder erblickte. Jetzt von Emmaus kommend, ritten sie, so schnell sie konnten, den Weg hinab, schwenkten seitwärts, gefolgt von vielen jungen Rittern, Tankred zusammen mit Balduin von Le Bourg an der Spitze. Alice betrachtete die Reitenden scharf. Trotz des Zwielichts des Abends meinte sie, auch Bernhard und Martin zu erkennen.
    Laut hörte sie aus dem entfernten Rufen und Lachen der Männer das Wort ›Bethlehem‹ heraus.
    Bethlehem. Heiliges Bethlehem.

    Die Begeisterung der jungen Ritter war grenzenlos. Die Abgesandten der Stadt hatten sie, die Retter aus dem Westen, gebeten, zu ihnen nach Bethlehem zu kommen und die rein christliche Stadt zu beschützen. Vor Entzücken hatte Tankred sogleich sein Banner mitgenommen, das er auf der Geburtskirche aufzupflanzen gedachte. Und damit wäre die Stadt sein.
    Doch auch wer weniger ehrgeizige Pläne verfolgte, war von einem ungeahnten glutvollen Rausch besessen. Bethlehem. Der Traum weihnachtlicher Nächte, Gesänge und Messen. Maria und Josef auf dem Weg nach Bethlehem. Maria schwanger.
    Und dort in der kargen Landschaft tatsächlich die ›Kirche des alten Sitzes‹, des Steines, auf dem Maria gesessen haben sollte, um sich auf dem beschwerlichen Weg nach Bethlehem auszuruhen. Maria mit ihrem Kind, der Stall, die Krippe, die nächtliche Erscheinung am Himmel, der Stern von Bethlehem, alles begeisterte die Männer. Und nun sie, reitend durch die Nacht, mit Fackeln in der Hand. Ein leuchtendes Bild, eine Antwort auf die Sternenerscheinung auf dem Felde. Wie durch ein Wunder verletzte sich keines der Pferde, trotz des Gerölls, trotz des unwegsamen gebirgigen Pfades, trotz der Mondfinsternis, die das Licht des Vollmondes erlöschen ließ.
    Eine blutrote Dunkelheit leuchtete bis Mitternacht am Himmel.
    Auch wenn Martin ebenso leidenschaftlich wie alle anderen Männer nach Bethlehem strebte, so konnte er doch die weihnachtlichen Hoffnungsbilder nicht hervorlocken.
    Bethlehem, das war der Tod. Rahels Grab, an dem er niedergedrückt vorbeiritt. Es hieß, dass christliche, jüdische und muslimische Frauen hierher kamen, um zu beten, wenn sie nicht schwanger wurden oder eine schwere Geburt befürchteten. Es fiel ihm plötzlich auf, dass die Frauen, welchen Glaubens sie auch waren, alle die gleichen Ängste, Befürchtungen und Hoffnungen hatten. Ob Christin, Muslima oder Jüdin, für jede Frau galt das harte Wort Gottes: ›Unter Schmerzen sollst du Kinder gebären‹, für jede galt, die Geburt könnte sie das Leben kosten.
    Anders als Alice, die es als Kind mit Beklommenheit gehört hatte, dass Rahel bei der Geburt ihres Sohnes Benjamin gestorben und am Wegesrand begraben worden war, hatte ihn das, solange er in Passau lebte, gleichgültig gelassen. Jetzt aber hafteten Martins Gedanken am fernen Grab vor Antiochia.
    Er zuckte zusammen. Wieder der Augenblick, als Theresa geköpft wurde. Wieder der Gedanke an das Kind, sein Kind, das sie unter dem Herzen trug. Was immer ihm durch den Sinn ging, alle Gedanken liefen auf sie hinaus, auf ihren Tod.
    Bethlehem aber war nicht nur die Todesstätte Rahels, es war auch der Schauplatz des Kindermordes, der Ort, an dem König Herodes alle Knaben töten ließ aus Angst vor dem neugeborenen König, von dem ihm die Weisen aus dem Morgenland erzählt hatten.
    Sterben, Tod, Mord – Martin quälte sich Tag und Nacht. Er war überzeugt, er wusste es genau, auf ihm lag der Fluch der Sünde seiner Eltern bis in alle Ewigkeit. Flüche wirken von selbst. Flüche vergehen nie.
    Martin wurde aus seinen trüben Vorstellungen gerissen. Sie hatten die Davidzisterne auf einem Hügel vor Bethlehem erreicht. Man saß ab und lagerte, wurde aber schon in der ersten Morgendämmerung von lautem Singen geweckt. Die Männer erhoben sich und sahen ganz Bethlehem in feierlicher Prozession, Hymnen und Lobgesänge singend, Weihwasser versprengend, mit Reliquien und Kreuzen auf sie zukommen. Die Männer, Frauen und Kinder umarmten die Ritter, küssten ihre Stirn, ihre Augen, ihre Hände und dankten ihnen unter Tränen. Martin hatte derlei noch nicht erlebt. Fremde gaben ihm den Bruderkuss.
    Ein sehr bärtiger Priester, dunkel und fremd aussehend, drückte Martin fest an sich und erklärte: »Als wir Eure

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