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Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Bohm
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muslimische Heere eingedrungen, bis sie endlich von Karl Martell bei Tours und Poitiers geschlagen wurden. Aber meinst du, das hätte sie dazu gebracht, ihre Raubzüge in Marseille, im Rhonedelta einzustellen?
    Ganz besonders grausam sind die muslimischen Piraten«, fügte sie entschieden hinzu.
    Alice nickte: »Du bist ja selbst überfallen worden.«
    »Ja, das auch. Nein, was ich sagen wollte, muslimische Piraten haben die Heilige Stadt Rom im Jahre 846 angegriffen. Sie sind sogar bis in die Schweiz vorgedrungen. Ja, und dann haben die Ungläubigen auf dem St. Bernhard, auf dem St. Bernhard!, den Abt von Cluny gefangen genommen.«
    Alice hatte bis dahin nur mit halbem Ohr zugehört. Sie hatte es auf der weiten Pilgerfahrt zur Genüge erfahren, wie Unbewaffnete und Wehrlose niedergemacht worden waren.
    Beim Wort ›Abt‹ allerdings horchte sie auf. Wie manches Mal im Halbschlaf, sah Alice den Abt in ihrem Zimmer stehen, dunkel und unheimlich, dabei wäre sie ohne sein Geld schon längst verhungert und vor Entkräftung gestorben wie so viele Pilger, die ihre Heimat niemals wiedersehen würden.
    Alice war dem Weinen nahe, während sie aufpassen müsste, dass sie sich bei dem steilen Weg über Geröll nicht den Fuß vertrat.
    Das Wort ›Heimat‹ traf sie wie ein Schlag. Passau tauchte wie das Paradies vor ihren Augen auf. Noch nie liebte sie die Stadt so sehr wie in diesem Augenblick. Da gab es etwas Kostbares, da gab es Wasser! Wasser im Überfluss. Niemals wäre es möglich, die Donau, den Inn und die Ilz zu vergiften! Wasser gab es in Hülle und Fülle, oftmals zu viel, wenn die Flüsse über die Ufer traten und die Vorräte und Waren vernichteten, wie es ihrem Vater geschehen war. Trotzdem. Mit einem Male wusste Alice mit all ihrer Kraft, ihrem Gefühl, ihrem Verstand, was sie wollte.
    Sie wollte mit Hanno in Passau leben!
    Sie wollte mit dem Jungen an der Hand an die Landspitze gehen, wo die drei Flüsse zusammenfließen, sie würde zu den bewaldeten Höhen hinaufschauen, das zarte Grün im Frühling begrüßen, im Sommer den Schatten der Blätterdächer suchen und mit Hanno darunter spielen und das bunte, im November gold-braun-graue Laub in sich aufsaugen. Es war ganz klar, sie war ein Herbstkind. Und dann, an der Landspitze angekommen, würde sie mit Hanno Steinchen über das Wasser springen lassen und mit Stöckchen spielen und kleine Boote bauen, die sie auf den Flüssen schwimmen lassen könnten, die weit davongetrieben würden. Ja, das war es doch. Das war eine Möglichkeit, wie sie leben könnte. Sie könnte ein Schiff mit Waren beladen und das Salz auf der Hinfahrt und das Getreide auf der Rückfahrt verkaufen. Die Geschäftspartner ihres Vaters kannte sie alle noch mit Namen und sicher würde ihr der Abt Geld leihen, das Kloster war reich und die Brüder hätten Erbarmen mit einer verarmten Jerusalemfahrerin.
    Hanno aber würde sie nicht hergeben. Mochte Bernhard sich verheiraten und einen legitimen Sohn zeugen, dachte sie erbost. Seine Mutter, die stolze Gräfin, die sollte Hanno nicht bekommen. Dennoch, der Gedanke an diese hohe, unbarmherzige Frau schmerzte und so zog es Alice vor, an Wasser wie an eine Fata Morgana zu denken, als sie die Bogenschützin plötzlich vernahm:
    »Hörst du das? Mindestens 50 Reiter«, flüsterte sie entsetzt.
    Auch die anderen Pilger hatten das Donnern der Hufe vernommen und waren vor Schreck stehen geblieben. Josephine und die anderen Bewaffneten stellten sich nebeneinander auf und erwarteten die feindliche Übermacht, die jeden Augenblick am Horizont auftauchen müsste.
    Gewaltige Staubwolken hinter sich aufwirbelnd, kamen die Reiter herangerast, den Bogen schon im Galopp schussbereit gespannt.
    Die Frauen und Kinder schrien, als wollten sie den Himmel zwingen, sie zu retten.
    »Lauft!«, rief die Bogenschützin ihnen zu und versuchte, die Feinde aufzuhalten.
    Schon im ersten Augenblick des Kampfes wurde einer der Bogenschützen von einem Pfeil ins Gesicht getroffen und sank zu Boden. Entsetzt und kreischend stob die Menge auseinander.
    Alice lief weg, sie lief, so schnell sie konnte. Hinter ihr die Reiter, die jeden verfolgten und lachten, wenn sie wieder eine Frau oder ein Kind abgeschossen hatten.
    Wie sich retten? Wohin sich retten in dieser baumlosen Wüste? Nicht einmal Felsen gab es, um sich zu verstecken. Sie hörte mehrere Reiter hinter sich, sie schossen, sie schossen auf Alice. Alice hörte das Spannen der Bögen, das Surren der Pfeile. Atemlos, ohne

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