Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
Jungen an.
»Ts, ts«, machte sie. »Ist gut, mein Liebchen.«
Hanno saugte und schlief wohlig an ihrem Busen ein. Alice aber war wie ausgedörrt von der Sonne, der Hitze. Noch einmal könnte sie ihr Kind nicht stillen, wenn sie nicht endlich etwas trinken würde. Nur leider war kein Tropfen, auch kein abgestandener mehr, in ihrer Trinkflasche.
Wie soll ich Hanno nur durchbringen, wenn ich selbst nichts mehr zu trinken habe?, dachte sie verzweifelt.
Wie soll es nur für unser Heer ohne Wasser werden? Gott hilf uns!, stieß sie ein Stoßgebet aus und bekreuzigte sich.
Die Bogenschützin hatte gerade ihr Bettlager aufgebaut, drehte sich nach Alice um und sagte zornig:
»Feige sind sie, diese Ungläubigen. Kämpfen nicht wie ein Mann. Wollen uns zu Boden strecken und umbringen, indem sie die Kinder, uns alle verdursten lassen. Aber den Triumph lassen wir ihnen nicht, dass wir hier alle elend krepieren. Kommst du mit?«
»Wohin?«
»Wasser suchen. Irgendwo muss es in dieser heiligen Wüste eine Quelle geben, die sie nicht vergiftet haben. Also machen wir uns auf«, sagte sie, zog ihren grünen Umhang über ihr Kettenhemd, setzte den Helm auf, nahm den Bogen und den Köcher, den sie bis zum Äußersten mit Pfeilen füllte.
»Ja, aber Hanno.«
»Den kannst du hier lassen oder mitnehmen. Wenn er mitkommt, kann er gleich was trinken. Du Süßer, du hast immer noch Durst«, sagte sie und kniff das Kind freundschaftlich in die Wange, sodass es aufwachte und schrie. Alice wiegte den Jungen in ihrem Arm und steckte Hanno ihren Daumen in den Mund, worauf der Kleine sich beruhigte und wieder schläfrig wurde.
Alice überlegte. Die Bogenschützin, wie sie Josephine immer bei sich nannte, hatte recht. Wenn sie Hanno mitnahm und es wirklich klares Wasser gäbe, dann könnte sie es wagen, ihm gleich zu trinken zu geben. Was aber wäre, wenn sie überfallen würden? Die Bogenschützin schien dies nicht auszuschließen, sonst hätte sie sich nicht gerüstet.
»Nun, was ist?«, drängte Josephine und zog die Augenbrauen hoch.
»Ich komme mit, aber ohne Hanno«, entschloss sich Alice, erhob sich und ging hinaus zur Kinderfrau, die vor dem Zelt, die Hand vor den Augen, sich suchend umsah.
»Noch immer keine Händler«, sagte sie entrüstet. »Sonst kommt dieses habgierige Pack sofort und ganz besonders, wenn wir Not leiden und sie jeden Preis fordern können.«
»Falls sie aber doch kommen, dann kauf bitte Wasser und grabe den Krug ein, damit es nicht gleich abgestanden und faulig schmeckt. Ich gehe mit der Bogenschützin einen Brunnen oder eine Quelle suchen«, sagte Alice und nestelte in ihrem Geldbeutel.
»Ach, das Geld«, seufzte sie.
»Los, gehen wir«, forderte die Bogenschützin sie auf.
Je mehr sie sich dem Rande des Lagers näherten, desto mehr hörten sie ein entsetzliches Schreien und Klagen.
Die Tiere, überkam es Alice. Die Ziegen, Schafe und Pferde. Die Tiere verdursten auch. Sie lassen die Tiere umkommen.
»Das nenne ich mir eine tapfere Kriegsführung«, erboste sich die Bogenschützin. Das Gebrüll wurde immer lauter und ließ nicht eine Minute ab.
»Die sind erst still, wenn sie alle tot sind«, sprach Josephine Alice’ Gedanken aus.
Am Rande des Lagers warteten müde und erschöpft drei Bogenschützen und viele Frauen auf den Abmarsch. Die meisten hatten ihre durstigen, quengelnden Kinder dabei. Sie alle hatten auf die Brunnen vor Jerusalem und auf frisches Wasser gehofft. Alice sah in ihre Gesichter. Die meisten von ihnen gehörten zu den Armen, die spätestens in Ungarn ihr letztes mitgebrachtes Geld ausgegeben hatten und die niemals darauf hoffen konnten, vor Jerusalem nur einen Tropfen Wasser kaufen zu können. Sofern sich überhaupt Händler einfanden, sofern die nicht Angst hatten, auf dem Weg zum Lager umgebracht zu werden.
Worauf hatte sie sich nur eingelassen.
Alice blickte besorgt zu der Befestigungsmauer zurück. Deutlich sah sie die ägyptischen Wachsoldaten, die mühelos jede Bewegung im Lager verfolgen konnten und mit Sicherheit beobachteten, dass eine Gruppe von Frauen mit Kindern das Lager verließ.
Alice fröstelte trotz der Hitze.
»Los, gehen wir!«, kommandierte die Bogenschützin.
Sie schien als Einzige in ihrem Element zu sein. Während die Frauen und Kinder sich müde, durstig und bedrückt auf dem steinigen, ausgedörrten Weg dahinschleppten und wie Alice einen Überfall befürchteten, begann Josephine wichtig zu erzählen:
»Stell dir vor, tief nach Frankreich sind
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