Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
Kreuzzugs ausgeben würden beziehungsweise als Sicherheit zumindest bräuchten. Andererseits war dieser Kauf von Gewürzen zwar ein Risiko, bot jedoch ebenfalls die Möglichkeit zu einer Rückkehr, wäre der Grundstock, sein Handelshaus einzulösen und wieder aufzubauen. Und wenn sie tatsächlich Schätze aus Jerusalem mitbrächten, wie doch alle hofften, dann wäre er möglicherweise eines Tages reicher als er je in der Heimat hätte werden können.
Karl konnte vor Aufregung und Glück nicht schlafen. Bereits in den frühen Morgenstunden machte er sich auf den Weg zu dem Kaufmann. Auf dem Markt war bereits Gedränge. An einem Obststand sah er Alice mit einem Weidenkorb unter dem Arm, wie sie mit ihren Fingern den Preis mit dem Händler ausmachte. Er mochte aber im Moment nicht zu ihr gehen.
Das Tor des besagten Ladens wurde gerade geöffnet, als Karl die Gasse heruntereilte. Ausführlich besah sich Karl noch einmal die Ware, wenngleich er genau wusste, dass er sie kaufen würde. Er konnte gar nicht anders, alles drängte und trieb ihn dazu. Der Vertrag wurde schriftlich geschlossen. Nachdem Karl mit dem Händler den guten Geschäftsabschluss mit Pfefferminztee, der sogar mit Zucker gewürzt und verfeinert war, und mit zuckrigem Gebäck, das schon an den nahen Orient erinnerte, gefeiert hatte, hastete er umgehend zum Tross, der selbstverständlich streng bewacht war, um seiner Geldtruhe die für den Kauf benötigten Mittel zu entnehmen und die Ware zu bezahlen. Danach kehrte auch er in einem Wirtshaus ein, gratulierte sich zu dem Handel mit einem umfangreichen Essen und einem Krug Wein. Zum ersten Mal erschien ihm der Kreuzzug nicht als Katastrophe.
Beruhigt und doch zugleich nachdenklich ging er anschließend zurück zum Heer. Der Aufenthalt in Mangjeloz war beendet. Alice stand schon ungeduldig am Wagen und hielt nach ihrem Vater Ausschau. Auf ging’s zur nahen Grenze nach Semlin. Das Morgenland wartete auf sie.
Es war der letzte Tag in Ungarn, ein ungewöhnlich lauer, sogar noch sonnenbeschienener Nachmittag Ende Oktober.
Alice war mit einigen jungen Frauen an die Save gegangen, um Wasser zu schöpfen.
Immer wieder sahen sie zum anderen Flussufer hinüber. Da drüben lag das mächtige byzantinische Reich und noch weiter südlich die von den Seldschuken eroberten Gebiete und ganz weit in der Ferne: Jerusalem. Während sie sonst gerne beim Wasserholen miteinander plauderten, war doch heute jede für sich still.
Alice hatte ihre Holzeimer gefüllt und wollte gerade mit ihren Gefährtinnen ins Lager zurückgehen, da spürte sie jemanden hinter sich stehen. Sie wandte sich um.
»Soll ich dir tragen helfen?«, fragte Martin.
»Ja, gerne«, antwortete sie und drückte ihm die beiden Wassereimer in die Hand. Doch statt den anderen Frauen zu folgen, die nun schon wieder zum Lager liefen, setzte sich Alice im trockenen Gras nieder, zupfte einen Halm und blies hinein, dass es laut tönte.
»Weißt du noch?«, erinnerte sie ihn an die Herbstabende, die sie als Kinder gemeinsam verbracht hatten.
»Natürlich«, antwortete er und fing an, ein Kinderlied zu pfeifen.
Alice schaute ihn einen Augenblick erleichtert von der Seite an. Dann schwiegen sie und blickten hinüber über den Fluss. »Byzanz«, sagte sie. »Freust du dich, dass du morgen dort sein wirst?«
»Ich weiß nicht, was der Unterschied für mich ist zwischen Byzanz und Ungarn, wahrscheinlich auch zwischen Jerusalem und Passau. Ich werde immer Knecht sein. Jeder behandelt mich hier als Knecht, außer Markus vielleicht. Ich weiß nicht, warum mich das stört. Vielleicht, weil du und ich zusammen aufgewachsen sind. Aber dein Vater duldet mich doch auch nur, weil ich Marthas Sohn bin.«
»Und der Abt?«, fragte Alice, weil sie endlich das Gespräch auf ihn lenken und Klarheit gewinnen wollte, was ihm eigentlich an Martin lag.
»Der Abt? Ich war sein Diener. Das weißt du doch.«
»Ja, aber hat er dich ernst genommen?«
Martin schien über die Frage nachzudenken.
»Ich weiß nicht genau. Mein Dienst bestand darin, dass ich ihm täglich eine Karaffe mit Wasser zum Trinken und einen Krug mit Wasser zum Waschen bringen sollte. Abends nach der Vesper wünschte er bisweilen noch einmal etwas Wasser. Das ging im Grunde ziemlich schweigsam vor sich. Ich klopfte. Er öffnete mir die Tür, auf dem Tisch lag meistens aufgeschlagen ein Buch, ich stellte ihm den Krug auf die Waschtruhe, verbeugte mich und ging. Beim Eintreten und beim Hinausgehen hat er immer zu
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