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Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Bohm
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mir gesagt: ›Gelobt sei Jesus Christus‹.«
    »Habt ihr denn gar nicht miteinander geredet?«, beharrte Alice.
    »Eigentlich nicht. Er war höflich, aber irgendwie unnahbar, wenn ich kam. Ich hätte nie gewagt, von mir aus ein Wort an ihn zu richten.«
    Martin überlegte, ob er Alice von dem einzigen Gespräch erzählen sollte, das doch stattgefunden hatte.
    »Einmal hat er mich gefragt«, begann Martin harmlos, »ob ich lesen und schreiben und rechnen könne. Als ich mit Ja antwortete, forderte er mich auf, ihm etwas aus der Bibel vorzulesen. Auf dem Tisch lag aufgeschlagen das Alte Testament.
    Es war Moses im Schilfmeer. Du kennst doch die Geschichte. Die Söhne der israelitischen Frauen werden umgebracht und Moses’ Mutter setzt ihr Neugeborenes an der Badestelle der Königstochter aus, damit die ihn findet und er gerettet wird. Ich war ziemlich aufgeregt und hatte ständig Angst, mich zu verlesen. Aber es ging ohne Probleme.
    ›Du liest gut‹, lobte er mich. ›Weißt du denn auch, was du gelesen hast?‹
    Ich antwortete ihm, ich könne Latein.
    ›Wie kommt es, dass du diese Fertigkeit erlernt hast?‹
    ›Meine Mutter hat es bei meinem Herrn, Eurem Bruder, durchgesetzt, dass ich zusammen mit Alice Unterricht hatte‹, erklärte ich.
    ›Durchgesetzt?‹, hatte er nachgefragt.
    Weißt du noch, Alice, meine Mutter hat damals richtig Krach geschlagen und ich hatte Angst, dass dein Vater uns rauswerfen würde. Aber sie hat deinem Vater gedroht, sie werde ihn verlassen, wenn er nicht nachgäbe.
    ›Das könne er sich vorstellen, das passe zu ihr‹, meinte der Abt, als ich ihm das erzählte, und lachte. Merkwürdiger Kommentar, nicht? Aber mir fiel später ein, dass er meine Mutter ja auch gut gekannt haben musste. Irgendwie vergisst man immer, wenn man ihn sieht, dass er der jüngere Bruder deines Vaters ist.
    Jedenfalls wollte er wohl das Thema wechseln, denn er kam auf ihren Tod zu sprechen. Er habe gehört, dass sie vor Kurzem gestorben sei.
    Und dann, Alice, passierte etwas sehr Seltsames. Ich habe ihm geantwortet, dass meine Mutter die Treppe hinuntergefallen sei. Und weißt du, was er mich darauf fragte? Er wollte wissen, ob sie die Treppe vom Tanzsaal hinuntergestürzt sei.
    ›Nein, nein!‹, brachte ich nur hervor. Ich war ganz entsetzt und rief ihm in Erinnerung, es sei doch verboten, den Tanzsaal zu betreten. Es sei die steile Kellertreppe gewesen.«
    Martin schwieg verlegen.
    »Weißt du, als damals dann der Priester kam zur Letzten Ölung, da habe ich gelauscht. Ich wollte endlich wissen, wer mein Vater ist. Vielleicht, so dachte ich, sagt sie es dem Priester in der Beichte. Aber ich konnte nichts verstehen, so sehr ich mich auch angestrengt habe. Sie sprach ganz leise, vielleicht konnte oder wollte sie nicht laut reden. Aber den Priester habe ich meistens deutlich gehört. Und ich bin ganz sicher, dass er gegangen ist, ohne ihr die Absolution zu erteilen. Er machte einen aufgeregten, erschreckten Eindruck, als er sich hastig verabschiedete. Später dann, als sie das Bewusstsein verloren hatte, sie hatte einen Schädelbruch, so vermutete der Arzt, den dein Vater kommen ließ, da ist der Priester noch einmal erschienen und hat sein ›Te absolve‹ gesprochen.
    Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass sie eine wirkliche Schuld auf sich geladen hat, denn ein uneheliches Kind haben schließlich viele, jedenfalls ist es keine Todsünde.
    Aber ich mache mir dennoch Sorgen, dass die Seele meiner Mutter nicht richtig erlöst ist und sie im Fegefeuer leiden und umherirren, schreckliche Qualen ausstehen muss. Ich habe den Abt gefragt, ob eine Absolution gelte, bei der die Sterbende nicht mehr bei Bewusstsein sei.
    Er meinte, genauso wie die Taufe bei einem Neugeborenen, das ja auch noch nicht wisse, was mit ihm geschehe, Gültigkeit habe, so auch bei einer Sterbenden, die die Letzte Ölung nicht mehr bewusst erleben könne.«
    »Und sonst habt ihr nichts miteinander besprochen?«
    Martin schüttelte den Kopf. Er war sich unsicher. Sollte er Alice von dem Auftrag erzählen? Dass er zu dem Juden Elias hatte gehen sollen, um diesem einen Brief zu überbringen und einen Beutel mit Geld in Empfang zu nehmen? Das konnte er Alice doch unmöglich anvertrauen.
    Martin zauderte. Er war stolz, dass der Abt ihm eine so gefährliche und verantwortungsvolle Aufgabe übertragen hatte, schließlich erzählte man sich über Juden viel Unheimliches. Vor allem aber bekäme der Abt selbst Schwierigkeiten, wenn bekannt

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