Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
wären, würde sich schon alles finden und Alice wäre sicher bereit, den Sohn, der auch ganz ansehnlich war, den sie allerdings bisher nicht kennengelernt hatte, zu heiraten. Nun ja, sie hatte sich noch nicht entschieden, die Zimperliche. Offenbar hielt sie an ihrem Plan fest, das Kreuzfahrerheer nicht zu verlassen. Das wäre allerdings unklug, denn Geliebte zu sein, ging ja an, aber Geliebte zu bleiben, konnte auf die Dauer nicht gut gehen. Irgendwann würde er sie verlassen. Heiraten würde der Ritter Alice nie. Da wäre es tatsächlich gescheiter, diese Zeit in Pera mit ihm zu genießen und ihn zu lieben, dann aber nach dem Abzug der Truppen des Herzogs und der Öffnung der Stadttore Konstantinopels den Sohn der Witwe zu ehelichen. Irgendwie sah Alice dies auch ein.
Alice zuckte mit den Schultern, bestäubte sich mit Parfum, verabschiedete sich kurz von ihrem Vater, indem sie ihm einen Kuss auf die Wange drückte und seinen besorgten Blick wahrnahm. Dann eilte sie verschleiert durch die dunklen Straßen zum Palast des Grafen von Baerheim, wo die byzantinische Magd sie bereits am Tor erwartete, um sie unbemerkt ins Schlafgemach zu Bernhard zu führen.
*
Im Morgengrauen des 1. April erreichte Martin die Stadtmauer von Pera.
Er hatte es sich vorgenommen, noch vor Ostern zum Heer Gottfrieds zu stoßen. Es erfüllte ihn mit Stolz und Erleichterung, rechtzeitig angekommen zu sein.
Stolz und Freude waren überhaupt Gefühle, die ihn auf seiner weiten Reise zurück nach Byzanz begleitet hatten. Ausgestattet mit Geld, das ihm allein zur Verfügung stand, gekleidet wie ein junger Herr und zusammen mit Rab, mit dem er sich verbunden fühlte wie mit einem Menschen, war er erfüllt von Neugierde auf alles Fremde, was ihn erwartete. Sowie Martin byzantinisches Gebiet betreten hatte, versuchte er sich im Griechischen, redete mit den Leuten, die angenehm erstaunt waren, einen Kreuzfahrer kennenzulernen, der ihrer Sprache nicht mit Verachtung und Unverständnis gegenüberstand und ernsthaft versuchte, sich mit ihnen zu unterhalten. Der Abt hatte die Meinung vertreten, das Durchkommen durch Byzanz fiele Martin gewiss leichter, wenn er die dort lebenden Menschen verstünde. Er selbst habe damals, als er die vielen Jahre bei den Leprakranken verbracht habe, um die Erlaubnis gebeten, Griechisch und Hebräisch lernen und die Bibel in diesen Sprachen lesen zu dürfen. Auch wenn Martin den liturgischen Ablauf der Gottesdienste nicht ganz begriff, so erinnerten sie ihn doch an die Gesänge der Mönche im Kloster. Die Hingabe, mit der er die heiligen Handlungen verfolgte, erweckte wiederum Vertrauen bei den byzantinischen Gläubigen. Mehrmals wurde Martin nach dem Gottesdienst zum Essen eingeladen. Die Leute, meist Bauern, erzählten dann gerne von den Unannehmlichkeiten, die der Durchmarsch der Kreuzfahrer für sie bedeutete. Martin sei ja anders, aber eigentlich erschienen ihnen die Franken, wie sie alle Kreuzfahrer zusammenfassten, als ungebildet, grobschlächtig und als zügellose Straßenräuber. Martin widersprach. Auch wenn er mit eigenen Augen die Verwüstung Belgrads gesehen und an den abgebrannten Mühlen bei Nisch vorbeigeritten war, so erklärte er doch entschieden, das Heer Gottfrieds verhalte sich in punkto Disziplin anders als das Armenheer Peters des Einsiedlers.
Doch als er die Städte Nisch, Philippopel und Adrianopel hinter sich gelassen hatte und je mehr er sich Konstantinopel näherte, desto öfter mischten sich zwischen Freude und Stolz Beklemmung und Scham und bisweilen auch Bangigkeit.
Das geplünderte Selymbria, die Not der Bauern dort, die nur durch Wohltaten des Kaiser Alexios gemildert werden konnte, ließ ihn stumm werden. Bedrückt ritt er an den Vorstädten Konstantinopels vorbei. Es war ihm unverständlich, wieso die Kreuzfahrer, Balduin an der Spitze, die Nachbardörfer Peras ausgeraubt hatten.
Obacht geben hieß es, als Martin sich dem Stadttor von Pera näherte. Bloß hier, ganz am Ende seiner Reise, nicht noch von aufgebrachten byzantinischen Soldaten umgebracht werden!
Die vier am Stadttor Wache haltenden Männer richteten ihre Bögen auf Martin. Nur jetzt freundlich und friedlich wirken. Auf Griechisch sprach er sie an. Er habe keine Waffe, er habe nicht geplündert. Er bewundere die Byzantiner für ihre Gastfreundschaft.
Das hätte er wohl nicht sagen sollen, denn die Soldaten lachten auf.
»Du bist uns ein Spaßvogel!«
Martin zuckte die Achseln.
»Weißt du denn nicht, dass Alexios
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