Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
Geschwister erst wieder, als ich zum Ritter geschlagen wurde. Das war ein großes, tagelanges Fest. Es war wie eine zweite Geburt.
Du, Alice, gehörst vermutlich zu den wenigen, die einen verständnisvollen, rücksichtsvollen Vater gehabt haben. Geschlagen wurdest du wohl nur selten.«
»Ja«, antwortete sie. »Er hat es immer gut mit mir gemeint. Besonders mochte ich es, wenn er mir von seinen Reisen Geschichten erzählte. Mein Vater hat mich gelehrt, aufrichtig zu sein.«
Beide schwiegen. Alice ließ vor Verlegenheit eine Rosenblüte durch ihre Finger gleiten.
Sie begann zu frieren. Der Schaum hatte sich verflüchtigt, sodass Bernhard ihre kleinen, festen Brüste sehen und ihren Körper erahnen konnte. Irgendwie musste sie aus diesem Badezuber heraus.
»Du hast mich vorhin gefragt, warum ich dieses für dich tue, Alice. In Worten möchte ich es nicht ausdrücken. Worte sind schal, Worte reichen niemals an die Empfindung, an die Wirklichkeit heran. Sie sind nur ein Abglanz von der Welt.
Ich sehe mein Leben in der Tat. Deswegen habe ich auch das Kreuz genommen. Jesus Christus nachzufolgen, ihm sein Eigentum, seine Stadt Jerusalem, mit dem Schwert zurückzugeben, darin sehe ich meine Aufgabe, meinen Dienst am Herrn. Bis dahin aber … Das Leben ist kurz, das eines Ritters allemal.«
Bernhard war aufgestanden.
Er nahm ein linnenes Badetuch, das er weit ausbreitete, sodass Alice sich schnell damit umhüllen und es um ihren Körper wickeln konnte.
Gerade sah ihr Bernhard ins Gesicht. Er küsste sie behutsam und zärtlich auf die Stirn, wie Alice es bereits von ihm kannte. Dann hob er sie auf, nahm sie in seine Arme und öffnete eine Tür zu einem von Kerzen erleuchteten Raum, in dem ein Tischchen mit Wein, Früchten und Blumen und ein hohes, mit vergoldeten Ornamenten verziertes Bett stand.
Alice schwindelte. In Sekundenschnelle schossen ihr unzählige Gedanken durch den Kopf.
Hatte sie das hier gewollt? Sollte dies nun ihr erstes Mal sein? Mit diesem Mann? War er derjenige, den sie seit Jahren ersehnt hatte? Gerade dieser, ein Ritter, Sohn eines Grafen? Aber nicht Ehemann. Niemals hätte sie in Passau nur irgendeinem Mann gestattet, sie auch nur zu küssen. Und nun war sie nackt, nur in ein Badetuch gehüllt, und fühlte seinen starken Körper, sah seine Augen, schmal, abschätzend. Wie viele Frauen hatte er schon gehabt? Wollte er mit ihr das Lager teilen, weil sie noch Jungfrau war? Reizte ihn das, ihr Schmerz zuzufügen, sie zu durchstoßen, so wie er lustvoll ihre Ohrläppchen durchstoßen hatte? Und morgen, wenn sie ihm ihre Unschuld geopfert hatte?
Und Martin? Der Kuss an der Save. Wie enttäuscht wäre er, wenn er sie als Geliebte des Ritters von Baerheim wiederfinden würde.
Ängstlich klammerte Alice sich an ihn, ihren Verführer, als könnte sie ausgerechnet von Bernhard Hilfe erwarten. Der nahm ihr das Handtuch von den Schultern und legte sie auf das weiche Bett. Verschämt bedeckte Alice ihre Brüste mit den Händen und presste ihre Beine fest aneinander.
Noch könnte sie fliehen. Einfach aufstehen, ihre Sachen ergreifen, sich ihr Kleid überwerfen und fortlaufen.
Würde Bernhard sie denn überhaupt gehen lassen? Einfach so, nachdem er monatelang um sie geworben und nun endlich so weit gebracht hatte, dass sie als seine Beute vor ihm lag?
Würde er nicht fordern, was er für sein Recht hielt, als Mann, schon gar als Adeliger?
In seinen Augen hatte Alice seine Erregung gesehen, seinen Willen, sie zu beherrschen.
Er würde ihre Schenkel auseinanderdrücken, sie mit unnachgiebigem Griff unter sich festhalten und sie mit harten Stößen nehmen …
Und sie selbst? Würde sie es nicht zutiefst bereuen, vor Bernhard, vor dieser Stunde der Erfüllung ihrer Träume und Sehnsüchte davongelaufen zu sein? Denn Alice hatte es sich schon längst eingestanden, enttäuscht war sie damals in Passau weniger, dass niemand sie beachtete, als dass Bernhard sie nicht einmal angesehen hatte, während sie auf der Galerie stand im weißen Nachthemd. Wie sehr hatte sie ihn an der ungarischen Grenze bewundert, mit welch atemberaubender Kraft und Leichtigkeit er den Gegner im Schwertkampf besiegt hatte. Wie gänzlich durcheinander gebracht hatte er sie, als er abends auf der Straße nach Sterniz, an einen Baum gelehnt, sie mit Blicken abschätzte, während sie mit nassen Füßen, Brote und den Suppentopf schleppend, an ihm vorübergehen musste. Wie erleichtert und beglückt war sie, als Bernhard sich vor
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