Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
Moment dieser süchtige Kaufmann beerdigt wurde. Alice neben Martin, dem Mönch Markus und ein paar Frauen am Grab. Natürlich diese Hildegard mit ihrer Mutter. Aus deren Zelt war Alice gar nicht mehr herausgekommen. Unmöglich, sie einmal zu sprechen. Versteckt hatte sie sich vor ihm und die Leute machten ihm den Eindruck, als wollten sie Alice auch vor ihm verbergen. Wie eine Gefangene sah Alice aus, als sie endlich in Begleitung von Markus das Zelt verließ und sich zu dem Acker aufmachte, auf dem rechtgläubige Christen bestattet wurden.
Nun ja, er hätte ebenfalls hingehen können zu dieser Beerdigung. Unmöglich! Ein Adeliger ging nicht zur Beisetzung eines Kaufmanns. Aber so ein Kreuzzug könnte doch Standesgrenzen etwas lockern. Tat er jedoch nicht. Jeder blieb in seinem Stand.
Bernhard strich mit der Hand über sein Gesicht, über seine Augen, als würden sie schmerzen.
Jedenfalls hatte er keine Lust gehabt, der Aufforderung des Priesters Folge zu leisten und gleich zu beichten.
So, als hätte er es nicht nötig, war er am Abend nach der Messe an dem Priester vorbeigegangen. Nun, um die Osterpflicht, die Beichte, käme er trotzdem nicht herum. Er hatte sich also vorgenommen, Sonntag früh kurz vor der ersten Messe und unmittelbar vor seinem Aufbruch zum Kaiserpalast nach Konstantinopel noch schnell zu beichten. Da wäre keine Zeit für lange Geständnisse oder gar Einzelheiten, die Priester so gerne hörten. Vielleicht auch nicht. Dieser Beichtvater wollte nichts Genaueres wissen. Er ermahnte Bernhard nur, dass es Sünde sei, wenn nicht verheiratete Menschen eheliche Beziehungen pflegten. Ganz besonders auf der Pilgerfahrt, für deren Dauer sie im heiligen Stand seien und sich eigentlich sogar Eheleute enthalten sollten.
So eine Verlogenheit. Balduin hatte seine junge Frau sowieso nur mitgenommen, damit sie ihm einen Sohn gebar. Die Frauen waren ohnehin immerzu schwanger. Und dann die Prostituierten. Gottfried schleppte sie schon seit Lothringen mit und es wurden immer mehr. Warum duldete er denn diesen Begleitzug? Warum schickte er die Huren nicht einfach weg? Bernhard war sich sicher, dass auch in den anderen Heeren sich diese willfährigen Frauen befanden, selbst in dem des Grafen Raimunds von Toulouse, mit dem der Legat des Papstes Adhémar, Bischof von le Puy, reiste. Und ausgerechnet er, Bernhard, sollte sich nicht so eine Hübsche halten, die dazu noch unverheiratet war. Nicht einmal Ehebruch begingen sie und alt genug war sie auch. Wenn Alice zwölf Jahre alt gewesen wäre, dann hätte er ja diese Einwände verstehen können, obwohl, auch dann nicht richtig. Mit zwölf war ein Mädchen heiratsfähig. Aber Alice war eine erwachsene Frau.
Ach, Alice, Bernhard seufzte innerlich. Da befand er sich im prächtigsten Saal des Weltenhimmels – und dachte an eine verarmte Kaufmannstochter.
Aber er musste sich entscheiden, er musste einen Entschluss fassen. So eine wie Alice fände er auf der ganzen Pilgerfahrt nicht wieder, schön, unverheiratet und ohne jede Aufsicht durch Eltern und Verwandte. Auf Liebe verzichten wollte er nicht. Keuschheit, dafür hätte er noch Zeit, wenn er alt wäre. Da könnte er seine Sünden bereuen. Und außerdem hatte der Papst die Vergebung aller Sünden versprochen, also auch derjenigen, die auf der Pilgerfahrt begangen wurden. Also, schließlich war er kein Pfaffe. Bezaubernd war sie. Das schöne, blonde, widerspenstige Haar.
Verrückt, sich hier, unter den Augen der Tochter eines Kaisers, solche Gedanken zu machen. Aber schon morgen war es zu spät, das Lager abgebrochen und Gottfrieds ganzes Heer über den Arm des Heiligen Georg geschifft. Drüben war eine andere Welt. Von da aus könnte er Alice nicht zurückholen.
Dieser verlogene Beichtvater. Flüsterte, raunte ihm, schon im Hinausgehen, zu, Alice sei mit ihrer Freundin Hildegard und deren Eltern auf dem Weg zurück nach Passau. Die Leute hätten Sorge um ihr Gewerke in der fernen Heimat. Als Sühne für ihr gebrochenes Kreuzzugsgelöbnis wollten die beiden jungen Frauen den Schleier nehmen. Ja, Alice ginge ins Kloster Niedernburg, sie wolle Nonne werden. Sie wolle ihre Sünden bereuen und als Buße ihr Leben Gott weihen.
Wie wild war er auf sein Pferd gesprungen und zu der Stelle galoppiert, wo Alice’ Wagen sich befand. Aber der war fort. Nur Markus und Martin standen noch da herum und Martin hielt sogar Rab am Zügel. Alice hatte ihm das Pferd offenbar geschenkt! Das tat weh. Welch ein unerwarteter
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