Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
Wagen. Das ging doch ganz gut bisher.«
»Nein, die Straßen bis Konstantinopel sind die besten der Welt. Jenseits des Arms des St. Georg gibt es zwar immer noch byzantinische Straßen, aber seitdem die Türken das Land beherrschen, werden sie nicht mehr gepflegt. Die Seldschuken sind ein Reitervolk. Irgendwann kommen zerstörte Brücken, es gibt nur Sand, Geröll, Gebirge und Wüste.«
Sie hörten, wie die Witwe in der Küche herumhantierte.
»Geh nun, Alice. Geh zu Bernhard von Baerheim und erkundige dich, wann die Plünderung und Brandlegung beginnen soll. Wir müssen uns vorbereiten.«
Alice gehorchte. Es war ihr recht, von ihrem Vater einen Augenblick los und zur Besinnung zu kommen. Sie ließ sich Zeit, bis sie den Palast Bernhards erreichte.
Dort allerdings forderte ein Diener sie auf zu warten. Der Graf und sein Sohn seien nicht zu sprechen. Als Bernhard endlich erschien, im Kettenhemd, das Schwert umgegürtet, teilte er ihr förmlich mit, die Plünderung sei für dieselbe Stunde befohlen. Er würde ihr zwei Männer schicken, die den Vater auf den Wagen hieven könnten. Sie solle das Nötigste packen und aus der Stadt herausfahren.
Erschrocken, angstvoll hetzte sie zurück zum Haus der Witwe. Die kam ihr jedoch schon schreiend entgegen:
»Er ist tot!«
Weinend, das Gesicht mit einer großen Schürze bedeckend, gestand sie heftig gestikulierend, Alice’ Vater habe sie um den Schlafmohn gebeten, er habe sich das gesamte Pulver auf einen nassen Schwamm geträufelt und die Tropfen aufgesogen. Sie habe ihn allein gelassen, damit das Essen nicht anbrenne. Und als sie wieder die Treppe zu ihm hinaufgestiegen sei, da habe er nicht mehr geatmet. Sie habe wirklich versucht, ihn wiederzubeleben. Aber …
Die beiden Bediensteten drängten. »Nun, sollen wir ihn hier jetzt liegen lassen oder was?«
»Legt meinen Vater auf den Wagen, wie euch befohlen wurde«, entschied Alice.
Wie abwesend lenkte sie den Wagen aus Pera hinaus. Schon nach Kurzem hörte sie Geschrei. Die Plünderung hatte begonnen. Die byzantinischen Einwohner wurden aus der Stadt herausgetrieben.
In der Nacht saß Alice auf ihrem Wagen. Sie sah, wie Pera in Flammen aufging. Den Leichnam hatte sie mit einem Laken umwickelt. Als sie sich dann neben ihrem toten Vater zum Schlafen in ein wollenes Tuch hüllte, weinte sie jämmerlich.
Unentwegt war Alice, mit dem Leichnam ihres Vaters hinten im Wagen, von Rittern und Soldaten überholt worden, die in Richtung der Brücke über das Goldene Horn nach Konstantinopel strömten.
Nun ritt Bernhard zu ihr heran. Und ohne ein Wort des Beileids auszusprechen, sagte er nur:
»Selbstmord.«
Alice schreckte zusammen.
»Meine Bediensteten haben mir etwas von Schlafmohn erzählt. Dein Vater habe sich mit Schlafmohn selbst getötet.«
Alice starrte vor sich hin auf die Straße. Es war ihr, als glitten ihr die Zügel aus der Hand.
»Es war ein Schlaganfall«, sagte sie möglichst fest.
»So?«, fragte er.
»Mein Vater hat sich dermaßen über die geplante Brandschatzung aufgeregt und darüber, dass er wieder fort auf diesen Wagen musste, dass er einen Schlaganfall erlitten hat.«
»Das weiß Gott allein«, antwortete er in ernstem Ton.
Sie schwiegen und Alice wünschte, er würde fortreiten. Gleichzeitig musste sie verhindern, dass Bernhard seinen Verdacht dem Priester verraten würde, sodass der Vater nicht in geweihter Erde begraben, sondern irgendwo am Wegesrand verscharrt würde.
»Mein Vater hatte bereits früher schon mal eine Art Schlaganfall«, behauptete sie möglichst bestimmt.
»Lass das!«, unterbrach er sie. »Du versündigst dich gegen Gott. Du brauchst mich nicht anzulügen. Zu deiner Beruhigung: Ich habe meinen Bediensteten befohlen zu schweigen. Und wenn sie doch plaudern sollten, was sie nicht wagen werden, dann war es ein Unfall.«
Alice warf ihm einen dankbaren Blick zu. Vielleicht liebte Bernhard sie ja doch auch?
»Ich bezweifle allerdings«, fuhr er fort, »dass du Gott hinters Licht führen kannst.
Gott wird schon geurteilt haben, ob dein Vater für seine Tat in die Hölle kommt.«
»Nein, das tut er nicht!«, schrie Alice auf.
»Wie willst du das nun wissen?«
»Der Papst hat allen Kreuzfahrern die Vergebung der Sünden versprochen. Mein Vater hat das Kreuz genommen und ist auf dem Weg nach Jerusalem gestorben. Der Papst hat einen Generalablass verkündet. Jeder, der auf dem Kreuzzug stirbt, kommt in den Himmel.«
Der Ritter lachte auf.
»Das hast du dir nun schön
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