Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
zurechtgelegt. Ich denke, der Papst hat das etwas anders gemeint. Die Absolution gilt jedem, der im Kampf gegen die Ungläubigen stirbt. Aber nicht für Selbstmörder.«
Alice schluckte.
»Sprechen wir das Wort nicht mehr aus. Mein Vater ist im Kampf für Jesus Christus gestorben. Es war nur ein anderer Kampf als der mit dem Schwert. Wäre mein Vater lebend mitgezogen nach Jerusalem, er wäre dem Heer eine Last gewesen. Mein Vater hätte das Heer nur aufgehalten. Und ich gedenke auch nicht, den Wagen mit über den Arm des St. Georg zu nehmen.«
Bernhard hob erstaunt die Augenbrauen.
»Nur muss ich jetzt einen Priester finden, der meinen Vater beerdigt.«
»Das sollte schwierig werden«, wandte Bernhard ein.
»Wieso?«, fragte Alice aufgebracht. »Mein Vater hat sich für die höhere Aufgabe, Gott zu dienen, schnell und ohne Belastung nach Jerusalem zu gelangen, geopfert.«
»So war es nicht gemeint. Nur, es wird sich schwerlich ein Priester bereitfinden, deinen Vater unter die Erde zu bringen, weil Gottfried von Bouillon ausgerechnet am Gründonnerstag Konstantinopel angreifen wird.«
»Was? Was wird er?«
»Nun, so schlimm ist es auch wieder nicht. Der Herzog will das zum Palastviertel Blacherna führende Stadttor zerstören und endlich in die Stadt eindringen.«
»Das ist doch vollkommen unmöglich. Wir brechen den Gottesfrieden. Gründonnerstag ist ein heiliger Tag. Da darf nicht gekämpft werden.«
»Eben, die Ansicht vertritt Alexios sicher auch. Gerade also ein Grund für uns, die Byzantiner zu überrumpeln und zu überfallen.«
»Aber Konstantinopel können wir unmöglich einnehmen«, wagte Alice einzuwenden. »Die anderen Kreuzfahrerheere sind ja noch nicht einmal angekommen.«
»Du, ein wip, verstehst dich auf den Krieg? Ich dachte, du verstündest dich nur auf anderes.«
Alice warf ihm einen wütenden Bick zu.
»Nein, nein. Du bist wundervoll. Wenn du Gräfin wärst, ich würde dich auf der Stelle heiraten. Aber vergessen wir das. Natürlich hast du recht. Der Herzog Gottfried kann keinen Krieg gegen Alexios gewinnen. Er will ihn wohl nur etwas unter Druck setzen. Ich bin mir auch nicht sicher, wie Alexios reagieren wird. Er braucht uns schließlich, damit wir die Türken besiegen. Wenn ich Kaiser wäre, ich würde meine Ritter vor dem Stadttor postieren, die Bogenschützen auf der Stadtmauer aufstellen und über die Angreifer, also uns, hinwegschießen lassen. Ich würde meine Macht zeigen.«
Bernhard wollte gerade seinem Pferd die Sporen geben, als ein Junge mit kurz geschorenem Haar auf ihn zugaloppiert kam. Die Zügel hochreißend, noch ehe sein Pferd stand, rief er aufgeregt: »Balduin sucht Euch. Alexios hat von seinem Palast aus das brennende Pera gesehen und will uns jetzt mit seinen Bogenschützen hindern, die Brücke über das Goldene Horn nach Konstantinopel zu überqueren. Wir müssen kämpfen.«
*
Gewandet mit einer durch und durch aus Goldfäden durchwirkten Robe, die die Macht des Kaisers ebenso demonstrierte wie das Kreuz aus reinem Gold auf der Vorderseite seines Ornates seine Vormachtstellung über die Christenheit, blickte Kaiser Alexios majestätisch, überlegen und spöttisch auf Herzog Gottfried herab, der vor ihm tief gebeugt niederkniete. Endlich nun am Ostersonntag, nach diesen Monaten unendlichen Machtgerangels, leistete Gottfried diesem gedrungenen Mann, der in Pracht und Herrlichkeit auf seinem Reichsthron saß, seinen Treueid.
Dem Ritter Bernhard stieg die Schamesröte ins Gesicht, als er seinen Heerführer in dieser devoten, erniedrigenden Haltung das Knie vor dem Mächtigeren beugen sah. Endlich löste Alexios die Hände Gottfrieds, die er bisher umfasst hatte. Herzog Gottfried erhob sich und richtete sich zu seiner vollen Größe auf.
Darauf sank Balduin auf die Knie und leistete den Eid und nach ihm die führenden Ritter Gottfrieds und Balduins, wie er auch selbst sich tief beugte, um dem höchsterlauchtesten und allermächtigsten Kaiser die Hand zu küssen.
Wut stieg in Bernhard auf, dass sie alle den Treueid leisteten, den Kaiser als obersten Herrscher über alle Länder anzuerkennen, die sie zurückerobern würden und die vor der Besetzung durch die Sarazenen Byzanz gehört hatten.
Gottfried hatte tatsächlich eingelenkt, hatte nachgegeben, hatte sich vom Kaiser bezwingen lassen. Zwar hatte Gottfried noch am Karfreitag den Grafen von Vermandois, den Bruder des Königs von Frankreich, verhöhnt, als dieser wie ein Vasall von Alexios geschickt worden
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