Die Pilgerin
hatte eigentlich nicht so spitz klingen wollen, doch ihr Ärger über Blanches Aufdringlichkeit war noch nicht verraucht. Selbst wenn das Mädchen mit ihnen nach Santiago pilgerte, würde es eine Ehe schließen müssen, die ihr Vormund ihr aufnötigte. Schließlich hatte auch Felicia de Lacaune ihre Flucht aus Baron Hugues’ Burg nicht das Geringste geholfen.
»Ich sehe mich ein wenig draußen um!« Tilla fühlte mit einem Mal, wie die Wände sie einengten und sie reizbar werden ließen. Daher lief sie aus dem Raum, bevor irgendjemand auf ihre Bemerkung antworten konnte. Draußen schlug sie den Weg zur Treppe ein und stieg nach unten. Sie wollte ins Freie, um frische Luft zu schöpfen, denn das Innere der Burg erschien ihr mit einem Mal so stickig, dass es ihr den Atem nahm.
Eine Etage vor der Pforte, die ein Bediensteter ihr gewiesen hatte, tauchte ein Edelmann vor ihr auf und blieb überrascht stehen. Ehe sie ihn im Gegenlicht erkannte, hatte er sie am Hals gepackt und presste sie gegen die Wand.
Es handelte sich um Hugues de Saltilieu, der sie mit einem höhnischen Blick maß und sich dabei unbewusst die Lippen leckte. »Sieh an, die deutsche Jungfer. Du kommst mir gerade recht! Ich werde dich mit in meine Kammer nehmen und dir zeigen, dass man mich nicht hintergehen kann, ohne bestraft zu werden. Wenn du es fertig bringst, mich zufrieden zu stellen, darfst du vielleicht sogar am Leben bleiben.«
Es war erstaunlich, wie gut Tilla mit einem Mal die französische Sprache verstand. Sie sah dem Mann an, dass es ihm vollkommen ernst war mit seiner Drohung, und verfluchte ihren Leichtsinn, allein durch die Burg zu gehen. Dabei hatte Ritter Aymer sie gestern noch vor seinem Vetter gewarnt. Verzweifelt überlegte sie, wie sie ihm entkommen konnte, doch sie hatte keine Waffe, mit der sie sich zur Wehr setzen konnte, nicht einmal ihr Tischmesser, denn das lag bei ihren Sachen in der Schlafkammer.
Saltilieu drückte ihren Hals so weit zu, dass sie noch etwas Luft bekam, aber nicht mehr reden oder gar schreien konnte, und wollte sie mit sich zerren. Da klangen hinter ihm Schritte auf. Er wandte den Kopf, um zu sagen, dass es niemand etwas anginge, was er hier tat, zuckte aber zusammen, als der Ankömmling sich als Graf Gaston entpuppte.
Der Herr von Béarn legte Saltilieu mit einem verächtlichen Lächeln die Hand auf die Schulter. »Ihr werdet verzeihen, Baron, doch diese junge Frau habe ich gerade selbst gesucht, um mit ihr zu sprechen. Ihr erlaubt!«
Ohne eine Antwort abzuwarten, löste er die Finger des Barons von Tillas Hals und bot ihr den Arm. »Komm mit!«
Tilla wusste nicht, womit sie sein Dazwischentreten verdient hatte, war ihm aber mehr als dankbar, und als sie in sich hineinhorchte, fand sie sich bereit, ihm so zu dienen, wie er es wünschte.Schließlich hatte er sie vor Saltilieu gerettet, der sie vergewaltigt und ihr hinterher hohnlachend die Kehle durchgeschnitten hätte.
Während Baron Hugues mit offenem Mund hinter ihnen herstarrte, führte Gaston von Béarn Tilla über mehrere Flure in eine Kammer, die zu ihrer Erleichterung kein Bett aufwies, sondern mehrere bequeme Stühle, deren Sitzflächen mit Kissen gepolstert waren. Er wies Tilla an sich zu setzen und rief dann einige Befehle durch die offene Tür. Kurz darauf erschienen ein Diener mit einer großen Platte mit Bratenstücken und ein anderer mit einem Tablett voll leckerem Gebäck. Es war genug Essen für ein halbes Dutzend Leute, und da Tilla Hunger verspürte, griff sie zu.
Ein junger Mann, der eher wie einer der Gefolgsleute Graf Gastons wirkte, brachte einen Krug Wein und schenkte zwei große, gläserne Becher voll.
»Ich freue mich, dass ich dir helfen konnte, mein Kind. Baron Hugues ist ein äußerst unangenehmer Mensch«, begann Gaston von Béarn in einem etwas fremdartigen, aber gut verständlichen Deutsch.
Tilla hob verwundert den Kopf. »Warum verheiratet Ihr ihn dann mit Eurer Nichte?«
»Es ist der Wunsch König Charles’ V. und den kann ich nicht übergehen. Außerdem verfügt Saltilieu über ausgedehnte Besitzungen in Frankreich und gilt als großer Kriegsheld. Es heißt, er habe dem König, als dieser noch der Dauphin war, in der Schlacht von Poitiers das Leben gerettet und ihn zuletzt hinweggeführt, damit er nicht den Engländern in die Hände fallen konnte. Mit dieser Tat hat Baron Hugues auch Frankreich gerettet, und so etwas bedingt großen Lohn.«
Tilla konnte dem Grafen nicht ansehen, was er wirklich von Saltilieu
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