Die Pilgerin
vermuten.« Der Bayer grinste, denn es war seine Idee gewesen, Damian Laux und dessen Söldnern im Gebiet der Habsburger aufzulauern und nicht erst kurz vor der Stadt. Dort hätte man den Überfall bemerken und Alarm schlagen können. Hier aber würde es niemand geben, der eine Warnung nach Tremmlingen tragen konnte.
»Egal was geschieht – Damian Laux darf nicht davonkommen!« Otfrieds Stimme klang trotz seines Grinsens rau.
Der Bayer lachte leise, denn für die Ausführung seiner Befehle, die Georg von Kadelburg erteilt hatte, brauchte er keinen Pfeffersack. Ein kurzer Blick auf seine Leute verriet, dass diese bereit waren. Dann schätzte er die Entfernung zu den marschierenden Söldnern ab. Damian Laux hatte als Einziger ein Pferd und ritt wie ein Feldherr vor seinen Leuten. Auf ihn heftete derbayrische Anführer seinen Blick, hob sein Schwert und gab das Zeichen zum Angriff.
Otfrieds Schar brach brüllend aus dem Gestrüpp heraus und stürzte sich auf den Feind. Ihr Angriff erfolgte so überraschend, dass kein organisierter Widerstand möglich war. Wohl brachte der eine oder andere Söldner in Damians Diensten seine Waffe zum Einsatz, doch mehr als einmal vermochte er nicht zuzuschlagen oder zuzustechen, dann rissen ihn die Bayern nieder und hackten ihn in Stücke. Fünfzehn Söldner, die von Damian Laux mit gutem Geld verlockt worden waren, in seine Dienste zu treten, hauchten innerhalb weniger Herzschläge ihr Leben aus.
Nur Damian lebte noch, sah sich aber von einer stattlichen Schar Bayern umringt, die ihre Spieße auf ihn gerichtet hielten. Einer packte die Zügel des Pferdes und riss sie ihm aus der Hand. Obwohl der Kaufmann ein Kurzschwert an seiner Seite trug, fühlte er sich in diesem Augenblick wie gelähmt und dachte nicht einmal an die Waffe, sondern nur daran, mit den Angreifern verhandeln und auf diese Weise sein Leben retten zu können.
Der Anführer der Bayern verschränkte zufrieden die Arme vor der Brust und ließ Otfried den Vortritt. Der junge Willinger starrte Damian an, als sähe er ihn zum ersten Mal in seinem Leben, und ärgerte sich, weil der Sohn des Bürgermeisters keine Angst zeigte, sondern kalt auf ihn herabblickte und verächtlich die Lippen verzog.
Brennender Hass quoll in Otfried auf und er kämpfte wie schon so oft mit dem Gefühl eigener Minderwertigkeit. Wäre Tilla von seinem Vater mit Damian verheiratet worden, hätte dieser nicht nur das Handelshaus Laux, sondern auch das Willinger’sche dominiert und ihn zu seinem Laufburschen degradiert.Das hat Vater wohl auch geplant, fuhr es Otfried durch den Kopf, und er kicherte hämisch, als er daran dachte, dass der so früh verstorbene Veit Gürtler ihm geholfen hatte, dieses Verhängnis abzuwenden. Wenn er es so betrachtete, konnte er dem Schicksal dankbar sein, dass es ihn auch von Gürtler befreit hatte und ihm nun einen weiteren gefährlichen Konkurrenten um die Macht vom Halse schaffte. Seine Gefühle wechselten zu wildem Triumph, und er reckte die geballten Fäuste gen Himmel. »Hier ist dein Weg zu Ende, Damian Laux!«
Sebastians Bruder war bei weitem nicht so kühl und gelassen, wie er sich nach außen hin gab, doch er war Realist genug, um seine Situation richtig einzuschätzen. Otfried Willinger wollte seinen Tod, da würden weder Reden noch Jammern und Klagen helfen. Also konnte er nur noch Haltung bewahren und so von dieser Welt scheiden, dass sein Vater sich seiner nicht zu schämen brauchte. Bei diesem Gedanken stieg ihm nun doch das Wasser in die Augen. Was würde jetzt aus Vater werden? Und aus Sebastian, falls dieser noch am Leben sein sollte? Er trug nicht nur Mitschuld an seinem eigenen Tod, sondern wohl auch am Ende seiner Familie und allem, was seine Vorfahren in Tremmlingen aufgebaut und so lange verteidigt hatten, denn er hatte die Augen dort verschlossen, wo er sie fein offen hätte halten sollen. Nun leistete er seinem jüngeren Bruder in Gedanken Abbitte. Sebastian hatte begriffen, was in der Stadt vor sich ging, und ihn gewarnt, doch er hatte alles nur für Hirngespinste gehalten. Dafür musste er nun teuer bezahlen. In diesem Bewusstsein stemmte er sich mit der Linken auf den Sattelrand und blickte auf Otfried hinab.
»Du steckst also hinter den ganzen Überfällen! Für so verworfen hätte selbst ich dich nicht gehalten.«
Otfrieds Rechte fuhr hoch und packte den anderen am Stoff seines Wamses. »Wir werden ja sehen, wer von uns beiden verworfen ist, du Narr! Ja, ein Narr bist du gewesen, denn
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