Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Pilgerin

Titel: Die Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
hoffnungsvoll an und sah sich durch dessen Nicken belohnt.
    »Es sei, wie du es wünschst!«, erklärte Vater Thomas. »Du wirst dich dieser beiden Weiber annehmen und wie ein Sohn oder Neffe zu ihnen sein. Gott und der heilige Jakobus werden es dir lohnen!«
    Anna rutschte auf Knien zu Sebastian hin und drückte ihre Lippen auf seine Hände. »Ich danke dir und werde es dir nie vergessen.«
    Ihre Schwester umarmte den jungen Mann und gab ihm einenKuss. »Nimm auch meinen Dank und sei versichert, dass ich immer für dein Seelenheil beten werde.«
    Sebastian fühlte sich von den Gefühlsausbrüchen der beiden Frauen beinahe erdrückt und blickte einen Augenblick lang zu Tilla hin. Diese war innerlich stolz auf ihren Freund, der sich selbstlos der verlassenen Frauen annahm. Dennoch hielt sie es für angemessen, ihn wieder auf die richtige Größe zurechtzustutzen.
    »Also, mein Lieber, wenn du zu unserer Gruppe gehören willst, solltest du vorher etwas gegen deine kleinen, bissigen Untermieter tun. Geben ist zwar seliger als nehmen, doch in diesem Fall verzichte ich darauf, deine Begleiter mit dir zu teilen.«
    Sebastian zuckte bei ihren spöttischen Worten zusammen und kratzte sich fast im selben Augenblick, da ihn eines der genannten Tiere an einer unangenehmen Stelle stach.
    Vater Thomas klopfte ihm lächelnd auf die Schulter. »Die frommen Brüder hier verfügen gewiss über ein Mittel gegen dieses Ungeziefer. Du solltest es benützen, auch wenn es unangenehm riecht. Der Gestank wird jedoch vergehen, während die Läuse und Flöhe dich nicht freiwillig verlassen werden.«
    »Der Teufel hole diesen verdammten Karmeliter«, fluchte Sebastian und sah Tilla spöttisch lächeln.
    »Das kannst du ihm gleich selber sagen. Da hinten kommt er nämlich. Anscheinend hat er im Wald übernachtet, um rascher vorwärts zu kommen.«
    »Dann sollten wir sofort losziehen.« Vater Thomas winkte seinen Schäflein, ihm zu folgen, und verließ das Kloster, bevor Bruder Carolus die Pforte erreichte. Die Gesellschaft des Karmeliters war nämlich das Letzte, das er sich wünschte.

VIERTER TEIL

Die List der Dame

I.
    Die Tage reihten sich aneinander wie die Perlen eines Rosenkranzes und unterschieden sich voneinander nur durch Sonnenschein oder Regen und die Landschaft, durch die die Pilgergruppe zog. Mal säumten Berge den Weg, deren Wände schroff aufragten und unübersteigbare Mauern bildeten, und dann wieder führte Vater Thomas seine Gruppe durch sanfte Täler und Ebenen. Meist übernachteten sie in Klöstern oder in Herbergen, die für Pilger eingerichtet waren, manchmal auch unter freiem Himmel, wenn das nächste Kloster zu weit entfernt war und die Wirte, die ihnen entgegeneilten und sie mit süßen Worten einzulullen versuchten, für Brot und Wein überhöhte Preise verlangten oder im Ruf standen, die Leute, die bei ihnen einkehrten, des Nachts zu bestehlen.
    Tilla wurde nun erst richtig klar, weshalb sich die meisten Pilger einem Führer anvertrauten, der die Gegebenheiten kannte und sie vor Ungemach zu bewahren wusste. Ohne Vater Thomas wären sie und ihre Begleiter tatsächlich so hilflos gewesen wie ein Küken ohne Henne. Selbst Rudolf von Starrheim, der nach Hermanns und Roberts Verschwinden als zwölfter Mann in die Gruppe aufgenommen worden war, wäre es schwer gefallen, hier ungeschoren durchzukommen. Sein Stolz hatte ihn gezwungen, als Pilger weiterzureisen, um nicht mit dem Ruf leben zu müssen, vor einer Horde Schweizer Fußknechte eingeknickt zu sein, und er hatte ihn auch dazu verführt, sein Pferd seinem Freund Philippe de Saint Vith zu übergeben, ungeachtet der Tatsache, dass sein gesamtes Geld in der Satteltasche steckte. Nun war er auf die Großzügigkeit seiner Mitpilger angewiesen, und das versetzte seinem Stolz einen weiteren herben Schlag.
    Dennoch verlor er sein jungenhaftes Lachen nicht und erwiessich als angenehmer Reisegefährte. Da Tilla sich bereit erklärt hatte, seine Auslagen zu übernehmen, behandelte er sie beinahe wie einen guten Freund und ließ sich nur selten anmerken, dass er ein Edelmann war und Otto nur der Sohn eines einfachen Bürgers. Sein Blick war nicht so scharf, hinter ihre Verkleidung dringen zu können, und er nahm wohl auch keine Auffälligkeiten in ihrem Verhalten wahr.
    Bei Dieter vermutete Tilla beinahe, dass dieser hinter ihr Geheimnis gekommen war. Doch sollte es so sein, so zeigte er es nicht, denn er behandelte sie wie einen jungen Burschen, der noch nicht ganz trocken

Weitere Kostenlose Bücher