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Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

Titel: Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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üblich gemeinsam ihre Bahnen. Der gleichmäßige Rhythmus ihrer geschmeidigen Schwimmbewegungen war ihre einzige Art der Kommunikation im Wasser. Worte brauchten sie dort nicht.
    »Ich war eine Weile in Akita bei meinen Eltern«, sagte Haida, während er sich nach dem Duschen mit einem Handtuch die Haare trocken rieb. »Ich musste ganz plötzlich aufbrechen. Eine dringende Familienangelegenheit.«
    Tsukuru nickte und antwortete etwas Unverbindliches. Es war sehr ungewöhnlich, dass Haida mitten im Semester zehn Tage lang von der Uni fernblieb. Wie Tsukuru versäumte auch er nie eine Vorlesung, wenn nicht etwas ganz und gar Außergewöhnliches vorlag. Also war es bestimmt etwas sehr Wichtiges gewesen. Doch da Haida sich nicht weiter zu seiner überstürzten Heimreise äußerte, traute Tsukuru sich auch nicht zu fragen. Außerdem hatte er dank der unverhofften Rückkehr seines Freundes den Klumpen aus Luft ausstoßen können, der in seiner Brust gesteckt hatte. Der Druck war auf einmal weg. Haida hatte ihn nicht einfach aufgegeben und war verschwunden.
    Er verhielt sich Tsukuru gegenüber nicht anders als früher. Unbefangen unterhielten sie sich und aßen zusammen. Sie saßen auf dem Sofa und hörten die CD s mit klassischer Musik, die Haida aus der Bibliothek auslieh, und sprachen darüber und über die Bücher, die sie lasen. Manchmal saßen sie auch nur in vertrautem Schweigen in einem Raum. An Wochenenden besuchte Haida ihn in seiner Wohnung und übernachtete auf dem zum Bett umfunktionierten Sofa. Aber nie mehr kam er (oder sein anderes Ich) in der Nacht in Tsukurus Schlafzimmer, um ihn im Dunkeln anzustarren – sofern dies wirklich einmal passiert sein sollte. Tsukuru hatte auch danach immer wieder erotische Träume, in denen Shiro und Kuro vorkamen, aber Haida tauchte nie mehr darin auf.
    Dennoch dachte Tsukuru noch manchmal, dass Haida in jener Nacht mit seinen klaren Augen vielleicht durchschaut hatte, was in seinem Unterbewusstsein lauerte. Und er spürte noch immer etwas von diesem Blick auf sich. Es war wie ein Brennen, ähnlich dem Schmerz einer leichten Brandwunde. Haida hatte damals die Fantasien und Begierden, die Tsukuru insgeheim hegte, gesehen, zerlegt und analysiert. Und war dennoch sein Freund geblieben. Er hatte nur eine bestimmte Zeit der Trennung gebraucht, um diese wenig erfreuliche Seite seines Freundes zu akzeptieren, Ordnung in seine Gefühle zu bringen und sich zu beruhigen. Deshalb hatte er zehn Tage lang jeden Umgang mit Tsukuru gemieden.
    Das waren natürlich nicht mehr als Mutmaßungen, die jeder Grundlage entbehrten. Alles rein spekulativ. Vielleicht sollte er sie als Wahnvorstellungen bezeichnen. Dennoch verfolgten sie ihn hartnäckig und beunruhigten ihn. Wenn er daran dachte, dass Haida ihn bis in sein Innerstes durchschaut hatte, kam er sich vor wie ein widerliches Insekt, das unter einem modrigen, feuchten Stein hauste.
    Aber Tsukuru Tazaki brauchte seinen jungen Freund. Wahrscheinlich mehr als alles andere auf der Welt.

8
    Es war Ende Februar des folgenden Jahres im achten Monat ihrer Freundschaft, als Haida endgültig aus Tsukurus Leben verschwand. Diesmal kam er nicht zurück.
    Die Jahresabschlussprüfungen waren beendet, und Haida fuhr nach der Bekanntgabe der Noten nach Akita. Tsukuru hatte er gesagt, er käme wahrscheinlich sehr bald wieder. Der Winter in Akita sei unerträglich kalt, und nach zwei Wochen habe er bestimmt die Nase voll. In Tokio sei es viel gemütlicher. Er müsse nur nach Hause, um beim Schneeschippen zu helfen. Doch es vergingen zwei Wochen, es vergingen drei Wochen, ohne dass Tsukurus Freund zurückkehrte. Oder sich meldete.
    Anfangs dachte er sich nicht viel dabei. Vielleicht fühlte Haida sich zu Hause in Akita wohler, als er gedacht hatte. Oder es hatte in diesem Jahr ungewöhnlich viel geschneit.
    Tsukuru selbst fuhr Mitte März für drei Tage nach Nagoya. Er hatte keine Lust, aber es ließ sich nicht vermeiden. Natürlich wurde er nicht zum Schneeschippen gebraucht, aber seine Mutter hatte ihn ständig in Tokio angerufen. Warum kommst du nicht nach Hause, jetzt, wo du Ferien hast?, fragte sie. Er müsse in den Ferien eine sehr wichtige Hausaufgabe erledigen, log Tsukuru. Dennoch bestand seine Mutter hartnäckig darauf, dass er zumindest für die Dauer von zwei oder drei Tagen käme. Auch seine Schwestern drängten ihn dazu. Die Mutter sei schon ganz traurig, er solle sich wenigstens zu einem kurzen Besuch durchringen. Gut, sagte Tsukuru, er

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