Die Plantage: Roman (German Edition)
Geflügelpastete.
Antonia setzte sich zu Mrs. Shaughnessey. Erschöpft, aber zufrieden blickte sie in die Runde der Feiernden. Alles ist gut, dachte sie. In der ersten Abenddämmerung kamen William und Shaughnessey zurück. Der kleine Joey lief den beiden Reitern entgegen.
»Er wird seinen Vater anbetteln, dass er ihn zum Sattelplatz mitreiten lässt«, sagte Mrs. Shaughnessey zu Antonia, während die Männer absaßen. Doch es war nicht Shaughnessey, sondern William, der Joey kurzerhand auf sein Pferd hob. Er zeigte dem Kind, wie es sich an Ghosts Mähne festhalten sollte, dann gab er den Zaum des Pferdes frei. Ghost trabte auf Zuruf zwei, drei Runden in einer weiten Kreisbahn und kam danach zuWilliam zurück. Joey durfte noch bis zu den Tischen reiten, dann hob William ihn aus dem Sattel. Mrs. Shaughnessey, die der Vorführung voller Besorgnis zugesehen hatte, nahm ihren Sohn erleichtert in Empfang.
»Sie können stolz sein auf Ihren Sohn, Madam«, sagte William, um ihren Ermahnungen zuvorzukommen. »Master Joseph macht im Sattel eine fabelhafte Figur.« Er klopfte Joey anerkennend auf die Schulter, dann ritt er, Shaughnesseys Pferd am Zügel führend, zu den Stallungen.
»Er hat recht, Erynn.« Shaughnessey, der neben seiner Frau Platz genommen hatte, biss genussvoll in eine Pastete und sagte kauend: »Unser Joey ist der geborene Reiter.«
»Aber Ghost ist für den Anfang nicht ganz das Richtige, Frank«, sagte Antonia. »Komm mit, Joey, ich lasse Grace satteln. Der Stallbursche soll sie für dich am Zügel führen.«
Sie nahm den Jungen an der Hand und ging mit ihm zum Wirtschaftshof.
William hatte sein Pferd in den Stall gebracht. Er blieb noch etwas da, streichelte Ghosts schönen Kopf, die kräftige, gebogene Nase des Pferdes. Vor drei Jahren war er ihm bei der Remonte aufgefallen. Der pechschwarze Neapolitaner mit der gelockten Mähne hatte es ihm angetan, er musste dieses Pferd haben! Ghost hatte sich als ausdauernd, treu und wesensfest erwiesen, wie sein Berberblut es versprach. Zuletzt hatte Ghost ihm das Leben gerettet. Es fiel William schwer, ihn zurückzulassen. An die Schulter des Pferdes gelehnt, blickte er durch die Stallgasse zum Tor. In schrägen Bahnen fiel das Abendlicht herein und brachte die staubige Luft zum Funkeln. Dort, bei der ersten Stallbox, hatte er im Dunkeln gewartet, mühsam aufrecht stehend mit dem Säbel in der Hand, halb ohnmächtig vor Schmerz … Er hörte Antonia, die draußen mit Noah Lytton sprach. Sofort verließ er die Box, verriegelte das Gatter. »Mach’s gut, alter Junge!«, sagte er und ging rasch hinaus.
Antonia gab Joey dem Stallburschen an die Hand. »Führe Grace für Master Joseph an der Longe herum. Gib gut auf ihn acht, Noah!« Lytton nahm den Jungen mit, und sie wollte zurückgehen.
»Warte, Antonia!« William kam zu ihr und legte den Arm um ihre Taille.
»William, nicht hier!«
»Glaubst du, es kümmert irgendjemanden?« Er hielt sie fest im Arm, atmete mit geschlossenen Augen den Kastaniengeruch ihres Haares. Von der Wiese hörte er die Leute, wie sie miteinander redeten und lachten. Er wollte Antonias Nähe spüren, sie zum letzten Mal so halten, ein letztes Mal so tun, als hätten sie alle Zeit der Welt. Wochenlang hatte er den Gedanken an den Abschied verdrängt. Jetzt, da es so weit war und er fortging, wusste er nicht, wie er es ihr sagen sollte. Er brachte es einfach nicht über sich. Stattdessen sagte er: »Warum küsst du mich nicht?«
»Hier draußen, vor all den Leuten?«
»Küss mich!«
Sie sah ihn prüfend an. War das eines seiner kleinen Spiele? Nein, diesmal war es kein Spiel, das las sie in seinem hellen Blick. Es waren seltene Momente, in denen er ihr so nahe war. Sie legte die Hände auf seine Schultern, zog ihn an sich.
»Ich liebe dich, Will«, flüsterte sie und küsste ihn. Und er hielt sie fest und küsste sie, wie nur er eine Frau küssen konnte. Als er sie losließ, wandte sie sich rasch ab und lief zur Wiese zurück.
Er blickte ihr kopfschüttelnd nach. Dann sah er hoch zum wolkenlosen Himmel: Ja, er würde den Phaeton nehmen.
Antonia schlenderte zwischen den Tischen hindurch. Jemand rief ihr etwas zu, sie lachte, blieb stehen, schwatzte mit den Leuten, ging wieder weiter, um mit anderen ein paar Worte zu wechseln. Die meisten kannte sie schon sehr lange, einigeder Schwarzen seit ihrer Kindheit auf Prospero Hill. Sie sah Zufriedenheit in den Gesichtern, guten Willen, Vertrauen. Im Weitergehen überließ sie sich der
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