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Die Plantage: Roman (German Edition)

Die Plantage: Roman (German Edition)

Titel: Die Plantage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Tarley
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mit ihm nach Hause.
    Sie sprachen nie über das, was geschehen war. Doch wenn Reed an manchen Abenden schweigsam wurde, abrupt vom Spieltisch aufstand und die Runde grußlos verließ, so folgte Roscoe ihm auf dem Fuße. Reed fand seine Opfer auf der Straße, weibliche oder männliche Prostituierte, Dienstmädchen, Stallburschen. Was er auch tat, Roscoe blieb bei ihm. Manchmal konnte er das Schlimmste verhindern, doch einige Menschen starben unter Reeds Händen.
    Nach einem Anfall war Reed nicht ansprechbar. Oft verlor er das Bewusstsein, und wenn er wieder zu sich kam, war er verstört und fand sich alleine kaum zurecht; dann war für ihn die Gefahr, entdeckt zu werden, am größten. In diesem Zustand gab Roscoe ihm Schutz, es war die Essenz ihrer Freundschaft. Aber Roscoes Gefühle waren nicht nur freundschaftlicher Natur. Wenn Reed gefangen war in seiner geistigen Nacht, konnte Roscoe ihm nahe sein und mit ihm tun, was für ihn Liebe war. Es waren kurze Momente der Leidenschaft. Diese Liebe – das, was Roscoe dafür hielt – war die einzige Gewissheit in seinem Leben. Es war sein Unglück, dass er sie im Gefolge des Irrsinns erlebte.
    Reed wusste nichts von Roscoes Gefühlen. Doch seine Rechnung war aufgegangen, Roscoe verhielt sich wie erwartet und gab ihm die Möglichkeit, sich wieder frei bewegen zu können. Seine Anhänglichkeit hielt er allerdings für ein Zeichengroßer Naivität: Sein Freund schien nicht zu begreifen, dass sich sein Tötungstrieb auf jeden richten konnte, der sich im Bereich seines Zugriffs befand: Indem Roscoe ihn beschützte, war er mehr als jeder andere gefährdet.

26.
    Nacheinander trafen die Jäger in Barton Blure ein, wo Reed sie ausgeruht und bester Laune erwartete. Um der großen Hitze zu entgehen, lagerte die ganze Jagdgesellschaft im Schatten der hohen Bäume. Die Diener brachten Wein, Obst und Platten mit kalten Speisen. Beim Essen erzählten die Männer von ihren Jagderlebnissen.
    Shaughnessey, Grandle und Davenport hatten sich nach dem Imbiss auf den Stamm einer umgestürzten Steineiche gesetzt, um den Fortgang der Jagd zu besprechen.
    »Wir werden gegen fünf Uhr an der Brücke von Plains Falls sein«, sagte Shaughnessey, während er noch einmal Wein nachschenkte. »Wir folgen dem Fluss über die Lorimer-Besitzungen. Oberhalb des Stauwehrs von Legacy können wir auf Reiher und Kormorane gehen.«
    »Ein guter Platz für Kormorane«, meinte Grandle. »Der neue Kanal zieht die Vögel in Scharen an. Mrs. Lorimer erinnert sich hoffentlich, dass wir heute auf ihrem Grund jagen?«
    »Wenn nicht, schickt sie uns ihren Verwalter auf den Hals!«, lachte Shaughnessey.
    Davenport fragte: »Sie meinen den humorlosen Kriegsveteranen?«
    »Nein, Marshall ist nicht mehr da. Jetzt hat sie ihrem Stallmeister die Verwaltung übertragen. Das war gescheit, kaum jemand kennt Legacy so gut wie Joshua Robert.«
    »Wieso ist Marshall fort?«, wollte Davenport wissen.
    »Keine Ahnung. Jemand sagte, er sei wieder bei der Armee.« Shaughnessey mochte den Punkt nicht weiter erörtern, stand auf und fuhr in seinen Jagdrock. »Kommen Sie, Gentlemen, Zeit für den Aufbruch. Ich sage den andern, dass wir weiterreiten.«
    Kaum war er gegangen, kam Davenport auf das Gespräch zurück. »Sagen Sie mal, Mr. Grandle, sind Sie diesem Marshall je persönlich begegnet?«
    »Nein, warum?«
    »Nun, außer Mr. Shaughnessey hat ihn in der ganzen Nachbarschaft offenbar niemand zu Gesicht gekriegt. Dabei hatte er anfangs für einiges Aufsehen gesorgt, ich glaube, jeder kennt die Geschichte seines Auftritts im Planters Club. Danach hat man ihn nirgendwo mehr gesehen.«
    »Kein Wunder, er hatte genug zu tun, die heruntergekommene Lorimer-Plantage instand zu setzen.«
    »Seltsam, dass er plötzlich verschwunden ist.«
    »Wieso? Shaughnessey sagte doch, dass er wieder bei der Armee ist.«
    »Das dürfte kaum möglich sein.« Davenport hob vielsagend die Brauen. »Marshall ist keiner von unseren Jungs.«
    »Sie meinen …«
    »Er gehört zu den Rotröcken: Spencer, Kommandeur der British Legion. Noch kein Jahr ist es her, da hat er seine verfluchten Dragoons über unser Land geschickt!«
    Als Spencers Name fiel, stand Reed von seinem Ruheplatz im Gras auf und kam näher. Grandle nahm ihn gleich zum Gewährsmann: »Mr. Reed, was würden Sie sagen, wenn Sie hörten, ein prominenter britischer Offizier weilte unerkannt in unserer Gegend?«
    »Sprechen Sie von jemand Bestimmtem?«
    »Es geht um Spencer, einen Befehlshaber der

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