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Die Plantage: Roman (German Edition)

Die Plantage: Roman (German Edition)

Titel: Die Plantage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Tarley
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Londoner Hafen ihren Gewerben nachgingen. Endlich hatte er das Stimmengewirr hinter sich gelassen und schlenderte an den Kais entlang, wo Rumpf an Rumpf die großen Segler lagen und sich träge in der steigenden Flut wiegten. Néné bestaunte die Schnitzereien, die Vergoldungen und kunstvollen Bemalungen, die das Heckkastell manches Großseglers schmückten. Am meisten aber faszinierten ihn die Galionsfiguren mit ihren lebendigen Augen aus Glas. So blieb er lange unter dem Bug eines Schnellseglers stehen und betrachtete die Büste eines Indianers in vollem Federschmuck, dessen ernstes Adlerprofil über den Vordersteven in unbestimmte Ferne blickte.
    Unterm Schauen drangen vertraute Laute an sein Ohr, ein Gullah-Shanty, wie es die schwarzen Lotsen in den Südprovinzen sangen. Er spähte hinauf zur Takelage, wo zwei Schwarze die Fockrahen mit neuen Segeln besteckten und dabei ihre Arbeit mit dem typischen Wechselgesang begleiteten.
    Néné formte die Hände zum Trichter und rief: »He, ihr da oben!«
    Die beiden turnten durch die Takelung aufs Deck und beugten sich über die Bugreling, um den gut gekleideten Jungen auf dem Kai eingehend zu mustern. »Sieh mal, was für ’n feinerNigger!«, rief der Größere und pfiff durch die Zähne. »Was machst ’n hier, Kleiner?«
    »Ich geh spazieren«, antwortete Néné großspurig. »Und ich hör gern zu, wie ihr die alten Sklavenlieder singt.«
    »Hast du das gehört, Bone?«, rief der Lange vergnügt.
    Doch Bone fand es nicht lustig, er sagte: »Du hältst uns für Sklaven, Mann? Das sind wir nicht, klar? Wir sind freie Männer, auf ’nem freien Schiff.«
    »Woher kommt ihr?«
    »Die Offiziere aus NewYork, die Mannschaft aus dem Süden. Alles Schwarze, von Plantagen geflohen wie wir. Ich bin aus der Gegend von Georgetown, Jigger hier kommt aus Charlotte.«
    »Ihr seid aus Carolina? Ich wohnte auf einer Plantage bei Charles Town!«, rief Néné, merkte jedoch, wie albern das klang, und wechselte das Thema: »Das ist mal ein schönes Boot!«
    Jigger verdrehte die Augen, »Das is ’n Schiff, Mann, kein Boot! Die Tristar ist ’ne schnelle Korvette. Schau dort oben«, er zeigte zu der Flagge mit drei Sternen am Hauptmast, »das Zeichen der Starline-Flotte. Die Tristar ist das Flaggschiff, ’ne echte First Lady aus Amerika.«
    In der Tat war die Tristar ein bemerkenswertes Schiff. Der schlanke Rumpf maß hundertsiebzig Fuß vom Rundheck bis zum Bugspriet bei dreißig Fuß Breite, der Hauptmast stand fast hundert Fuß über Deck. Als dreimastiges Vollschiff für Kaperfahrten konzipiert, konnte sie es mit jeder Fregatte aufnehmen und machte selbst bei großer Beladung noch schnelle Fahrt. Die Tristar war aber nicht nur schnell, sie konnte auch die Zähne zeigen: Nachdem sie auf einer Atlantiküberquerung durch Seeräuber in Bedrängnis geraten war, hatte die Reederei beschlossen, das Schiff aufrüsten zu lassen. Das ließ sich der Londoner Generalagent der Starline nicht zweimal sagen und schickte die Tristar unverzüglich nach Deptford ins Trockendock, wo er sie umbauen und bewaffnen ließ.
    Beladen hatte die Tristar einen Tiefgang von vierzehn Fuß, war also stabil genug für eine zusätzliche Besegelung. Man gab den drei Masten die nötige Vorspannung, um dem enormen Winddruck von vierundzwanzig Segeln standzuhalten, durch die das Schiff nun über fünfzehn Knoten Fahrt machte. Schließlich wurde ein volles Geschützdeck eingezogen, bestückt mit sechzehn Zwölfpfünder-Kanonen auf Lafetten und acht Zehnpfündern, vier davon als Relinggeschütze. Selbstbewusst trug die Tristar ein leuchtend weißes Pfortenband, als Warnung für jeden Angreifer auf dem Atlantik oder an den piratenverseuchten Küsten der Armorica bis zur Biskaya.
    So schön und stark lag sie jetzt am Pier. Néné blickte sehnsüchtig auf zu der Flagge mit den drei goldenen Sternen, als Bone plötzlich herumfuhr: »Achtung, Jigger, da kommt der Master mit dem Käpt’n.« Augenblicklich verschwanden die zwei Matrosen, kurz darauf erklang wieder ihr melodischer Gesang.
    Néné setzte sich auf einen der eisernen Halteringe am Kai. Seine Augen hingen an dem Schiff, während er sich voller Hoffnung ausmalte, mit der Tristar nach Amerika zurückzusegeln. Indessen gingen die zwei Männer im Gespräch vorüber und blieben beim Fallreep stehen. Der Kapitän im blauen Rock mit Goldlitzen und Epauletten war ein fülliger Mann von Mitte vierzig, der mit wenig Enthusiasmus zu seinem Schiff aufsah. Der andere Mann war noch

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