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Die Plantage: Roman (German Edition)

Die Plantage: Roman (German Edition)

Titel: Die Plantage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Tarley
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jung und wirkte in seiner dandyhaften Aufmachung zwischen den Seeoffizieren und Matrosen deplatziert.
    Das muss der sein, den Bone den Master nannte, dachte Néné. Weil er kindlichen Gefallen an dekorativen Garderoben fand, bewunderte er dessen auffälligen Rock aus blutroter Seide, die goldene Weste mit den kleinen Quasten entlang der Knopfleiste, den Spitzenbesatz an Kragen und Manschetten, die roséfarbenen Kniehosen. Der pelzverbrämte Dreispitz und die schwarzen Lackschuhe mit deutlich erhöhten Absätzen gefielenihm besonders gut. Er horchte auf, als der Ton zwischen den Männern schärfer wurde.
    »Hören Sie auf, Käpt’n«, sagte der Dandy. »Nur weil im Nordatlantik wie jedes Frühjahr ungemütliches Wetter aufzieht, ändern wir nicht den Zeitplan.«
    »Diese Entscheidung müssen Sie wohl mir überlassen«, erwiderte der Kapitän gereizt. »Auf Ihr Betreiben wurde der Umbau des Schiffs vorzeitig abgeschlossen. Haben Sie sich seitdem mal die Mastenlager angesehen? Der Fall hat die Lager verzogen. Wenn sie nicht neu verzapft werden, werden die Masten unter dem Druck der großen Segelfläche instabil, und wir könnten auf dem Atlantik bei Sturm Probleme kriegen. Ich schlage daher vor, die Abfahrt um eine Woche hinauszuschieben, bis die Zimmerleute die Umbauarbeiten ordentlich zu Ende gebracht haben.«
    Der Master hatte sich, während der Kapitän redete, gelangweilt abgewendet; so konnte Néné sein Gesicht sehen. Als Kind der Karibik erkannte er mit einem Blick den Criollo, die dunkelschattigen Augen, den olivfarbenen Teint seiner spanischen Vorfahren. Gleichgültig wartete der Mann die Rede des Kapitäns ab, schließlich sagte er in provozierend schleppendem Tonfall: »Sehen Sie sich um, Käpt’n: Die Tristar ist das bestgerüstete Handelsschiff, das in diesem Hafen vor Anker liegt. Seien Sie getrost, die Konstruktion ist jeder Orkanstärke gewachsen. Wir werden uns also an den Zeitplan halten und in drei Tagen auslaufen. Andernfalls entziehe ich Ihnen das Kommando.«
    Der Kapitän wusste, dies war keine leere Drohung; dieser arrogante Bengel konnte ihm in der Tat das Kommando über sein Schiff entziehen. Nun war der Kapitän ein geradliniger Mann, seine Auffassung von korrekter Pflichterfüllung erlaubte ihm nicht, seine Bedenken in den Wind zu schlagen und womöglich Crew, Schiff und Fracht in Gefahr zu bringen. So gesehen wäre es verantwortungslos – und jeder halb so tüchtigeSeemann würde ihm da zustimmen –, in Kenntnis der Umbaumängel in ein Sturmtief hineinzusegeln.
    »Mir ist natürlich klar, Mr. Roscoe, dass Sie und die Starline Company bei Ihren Auftraggebern in der Pflicht stehen«, begann er noch einmal. »Zeit ist Geld, wer wüsste das besser als ich nach dreißig Jahren Dienst auf Handelsschiffen? Ich gebe Ihnen recht, bisher hat die Tristar alle Herausforderungen auf See spielend gemeistert. Aber wenn mein Schiffszimmermann sagt, die Maste halten die Spannung nicht aus, dann kann ich als Kapitän nicht guten Gewissens segeln. Das Risiko für Mannschaft und Ladung wäre zu hoch.«
    Roscoes Miene war undurchschaubar, während er die Worte seines Kapitäns bedachte. Endlich meinte er: »Sie geben, wie vereinbart, pünktlich den Befehl zum Ablegen. Oder Sie geben hier überhaupt keine Befehle mehr.« Ohne Gruß drehte er sich um und ging zur Hafenzufahrt, wo seine Kutsche wartete.
    Néné hatte keinen Blick mehr für den gedemütigten Kapitän, er sprang auf und rannte Roscoe hinterher.
    »Bitte warten Sie, Sir! Sir!«
    »Was willst du?«
    »Bitte, Mr. Roscoe, ich möchte auf Ihrem Schiff mitfahren, auf der Tristar! Bitte nehmen Sie mich mit, Sir! Ich mache alles, was Sie wollen, ich kann kochen, putzen …«
    »Für jemanden, der Arbeit sucht, bist du zu gut angezogen«, sagte Roscoe abschätzig. »Bist du ein Sklave?«
    »Ja, Sir!«
    »Und willst auf einem Schiff anheuern? Junge, wenn das dein Herr erfährt, wird’s dir schlecht ergehen!«
    »Oh nein, Sir, mein Herr ist gut zu mir. Mr. Marshall würde mich nicht schlagen, das hat er noch nie getan.«
    »Wie dumm von Mr. Marshall«, meinte Roscoe, »nur Schwächlinge behandeln Sklaven mit Milde. Kein Wunder, dass du ihm davonläufst.«
    Indessen war Roscoe eingestiegen. Néné schämte sich dafür,dass er dem Ansehen seines Herrn schadete, trotzdem sprang er, als die Kutsche sich in Bewegung setzte, auf den Antritt und hielt sich am Wagenschlag fest.
    »Mr. Roscoe, ich bitte Sie, nehmen Sie mich mit!«, bettelte er. »Ich will zurück

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