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Die Plantage: Roman (German Edition)

Die Plantage: Roman (German Edition)

Titel: Die Plantage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Tarley
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sich also ein Herz und reihte sich am Verladeplatz des Old Town Pier unter den vielen Dienstwilligen ein. Bald schleppte er in Säcke eingenähte Baumwollflocken vom Kai zu den Lieferwagen oder trug unhandliche Teekisten über einen schwankenden Steg von Bord eines Klippers der East India Company. Die mühselige Arbeit brachte ihm gerade genug ein, um sich bei einer Garküche gebratene Makrelen mit Brot kaufen zu können. Er legte seinen guten Rock ab und aß mit dem Heißhunger eines Fünfzehnjährigen. Nach dem Essen setzte er sich auf ein leeres Heringsfass und sah den Schiffen nach, die mit der Strömung den Fluss hinunter Richtung Greenwich fuhren oder stromaufwärts gegen Westminster getreidelt wurden.
    Am Hafen wurde es ruhiger. Die Wirtin sperrte ihre Garküche zu und sagte, er solle nach Hause gehen. Also zog er den Rock wieder an und schlenderte am Wasser entlang. Außerhalb des Handelshafens war das Flussufer von keiner Kaimauer gefasst. Das Ufer stieg allmählich an zu einem grasbewachsenen Streifen sandigen Bodens, auf dem der Treidelpfad verlief. Ein Mann überholte Néné. Am langen Zügel führte er ein Zugpferd, das einen Lastkahn zog. Néné ging langsam weiter, bald war das Gespann hinter der langen Biegung des Flusses verschwunden. Der Weg führte an hohen Mauern entlang stadtauswärts. Von Zeit zu Zeit kam Néné an verschlossenen Toren vorbei; dahinter lagen Obstgärten, von Buchshecken gerahmte Rasenflächen, weitläufige Parks.
    In der sinkenden Sonne ging er weiter stromaufwärts. Eine ganze Weile lief er an einer efeuüberwachsenen Einfriedung entlang, bis er zu einem offenen Tor kam. Ein Kiesweg führte durch den verwilderten Park zu einem festungsartigen Gebäudekomplex. Vondort kamen zwei Männer, die eine sperrige Holzkiste trugen. Ohne Néné zu bemerken, gingen sie durch das Tor, überquerten den Treidelpfad und trugen ihre Last über die Böschung hinunter zum Wasser. Ein Boot lag an der Anlegestelle vertäut; die Männer hievten die Kiste hinein und verstauten sie im Laderaum.
    Inzwischen war die Sonne hinter den Bäumen verschwunden. In der einsetzenden Dämmerung sah Néné, dass sich von dem Anwesen wieder zwei Männer mit einer Holzkiste näherten. Der vordere Träger war ein kräftiger Mann mit grauem Stoppelhaar. Der andere, ein schmächtiger Bursche, kaum älter als Néné, hatte Mühe, die Kiste im Gleichgewicht zu halten. Gerade als die beiden durch das Tor traten, stolperte der Junge über die steinerne Schwelle und geriet ins Straucheln. Néné sah den Schrecken auf seinem Gesicht, lief heran und packte die Kiste in dem Moment, als der Junge hinfiel. Néné ging in die Knie, denn die Holzkiste war viel schwerer als erwartet. Durch das Schwanken der Last alarmiert, warf der Vordermann einen Blick über die Schulter. Als er anstelle seines Gehilfen Néné erblickte, fuhr er herum; dabei entglitt die Kiste seinen Händen und krachte auf die Steinschwelle.
    Der Junge, Néné und der Gauhaarige starrten auf die zertrümmerte Kiste: Zwischen geborstenen Brettern und einer Schütte Stroh lagen Gewehre, nagelneue Waffen aus Heeresbeständen, wie die Prägung B.A. auf jedem Schaft erkennen ließ.
    Der Grauhaarige fasste sich als Erster. »Was sitzt du da und glotzt!«, fuhr er seinen Gehilfen an. »Lauf zum Boot und hol ein paar Säcke, damit wir die Schießprügel einpacken können. Los, beweg dich!« Kaum war der Junge davongetrabt, beschimpfte der Mann Néné: »Du fauler Nigger, wieso bist du nicht bei deinen Brüdern auf dem Schiff ? Ihr wisst doch, die Mannschaft bleibt an Bord. Ihr habt hier nichts zu suchen!« Er trat mit geöffneten Pranken auf ihn zu. »Wer hat dich geschickt? Antworte, oder bist du taub?«
    Néné aber stand wie gebannt vom bösen Glanz der Waffen. Er hörte nicht, was der Mann zu ihm sagte. Er hörte auch nicht, dass sich vom Park her Schritte näherten. Als er bei der Schulter gepackt wurde, warf er den Kopf herum und sah in die sanftesten Augen.
    »Wir kennen uns schon, nicht wahr?«, sagte Roscoe gedehnt. Er wandte sich an den Grauhaarigen: »Wie kommt er hierher?«
    »Das will ich gerade herausfinden, Master. Ich hab ihn gefragt, warum er nicht auf dem Schiff ist …«
    »Das ist keiner von meinen Niggern, Gibbs. Sehen Sie das nicht?«
    »Keiner von Ihren?« Gibbs starrte Néné entsetzt an, dann sagte er. »Ich schwöre Ihnen, Master, ich hab keine Ahnung, was er hier will! Als wir mit der Kiste kamen, stand er plötzlich auf dem Weg

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