Die Plantage: Roman (German Edition)
…«
»Genug! Sorgen Sie dafür, dass hier aufgeräumt wird. Und Gibbs: Ich wünsche, dass alle Waffen aus der Burg noch heute Nacht an Bord der Tristar gebracht werden. Gnade Ihnen Gott, wenn irgendwas schiefgeht!«
»Aye, Sir.« Gibbs rief seine Männer und ließ sie die zerbrochene Kiste samt Waffen zum Anleger hinunterbringen.
»Nun zu dir.« Roscoe schüttelte Néné wie einen jungen Hund. »Hast wohl gedacht, du könntest ausreißen? Jetzt bin ich dein neuer Herr!« Er gab ihm einen Stoß, dass er durch das Tor in den Park stolperte. »Sperren Sie ihn ein, Gibbs.«
Als William die Kanzlei seines Bruders verließ und zum Haus des Notars kam, waren die offiziellen Amtsstunden längst vorüber. Er übergab dem Bürodiener Longuinius’ Papiere, dazu seine Karte mit dem Hinweis, Mr. Clarke möge über ihn verfügen. Dann nahm er eine Droschke zum Berkeley Square. Im Hotel fragte er den Concierge nach einem Lokal, das er früher häufig besucht hatte. »Sagen Sie, Watson, gibt es noch das Cocoa Tree?«
»Sie meinen den Nachtclub in der Curzon Street? Gewiss, Sir.«
»Bitte reservieren Sie heute Abend für mich einen Tisch auf der Empore.«
Mrs. Crawford klopfte kurz darauf an seine Zimmertür. »Sir, Ihr Diener ist schon wieder weggelaufen.«
»Uneinsichtiger Bengel!«, grollte William. »Aber ich mache Ihnen keinen Vorwurf, ich weiß, Sie können nichts dafür.«
»Natürlich nicht! Sicher waren Sie zu streng mit ihm.«
»Oh nein, Mrs. Crawford, ganz bestimmt nicht!« Er seufzte und lenkte ein: »Na schön, es soll mir recht sein, wenn Ihr Sohn noch einmal nach ihm suchen möchte. Ich schätze allerdings, Néné wird dafür sorgen, dass man ihn diesmal nicht so leicht findet.« Er schob sie behutsam Richtung Tür. »Machen Sie sich keine Sorgen, es wird ihm schon nichts passieren, schließlich ist er kein Kind mehr.«
»Aber falls Nick ihn nicht zurückbringt?«
»Dann, Mrs. Crawford, werde ich mich morgen selber auf die Suche machen.«
Im Casino des Cocoa Tree Club drängte sich die übliche Schar gewohnheitsmäßiger Spieler; auch im Restaurant waren die meisten Tische vergeben. Die Gäste, überwiegend Männer, manche in Begleitung schöner Frauen, bildeten einen Querschnitt des verwöhnten, leichtlebigen Ausgehpublikums des neuen Londoner West End. Der Manager nahm am Treppenaufgang Williams Karte entgegen und führte ihn beflissen zu seinem reservierten Tisch.
»Es freut mich, Sie heute Abend bei uns begrüßen zu dürfen, Mr. Marshall. Ich schicke Ihnen gleich den Weinkellner. Falls Sie einen besonderen Wunsch haben, stehe ich Ihnen persönlich zur Verfügung, fragen Sie einfach nach Mr. Rossetti.«
Von seinem Platz auf der Empore überblickte William das Defilee, das die Schönen und Reichen allabendlich unter derlichten Kuppel des Casinos zelebrierten: elegante Paare von Stand, höhere Offiziere samt Entourage, Lebemänner mit ihren Kurtisanen. William sah ein paar bekannte Gesichter, doch er entdeckte niemanden, der ihn interessierte. Unentschieden zwischen Langeweile und Melancholie trank er von seinem Champagner und beobachtete die Spieltische unter der Empore. Glücksspiele reizten ihn nicht, er sah es lediglich als sportliche Herausforderung, zwischen all den Amateuren einen professionellen Spieler ausfindig zu machen.
Es war noch früh, die Einsätze moderat, zu spektakulären Spielergebnissen käme es erst zu fortgeschrittener Stunde. Während er einen Tisch, an dem Vingt-et-un gespielt wurde, ins Visier nahm, bemerkte er plötzlich, dass er beobachtet wurde. Eine rosige junge Frau in taubengrauer Robe sah direkt zu ihm herauf. Als er fragend ihren Blick erwiderte, verbarg sie ihr Gesicht hinter dem Fächer und neigte den hochfrisierten Kopf, um sich wieder dem Spiel zuzuwenden.
Er brauchte zwei Sekunden, dann wusste er, wer sie war: Beatrice Trenton, Tochter Lord Arninghams, des fünften Earl von Kerry. William hatte mit Beatrices älterem Bruder Charles eine Internatsschule in Rutland besucht. Als er Charles beim Studium in London wiedertraf, wurde ihm die heranwachsende Beatrice in ihrem Elternhaus inoffiziell vorgestellt. Seit ihrem gesellschaftlichen Debüt musste sie eine der höchstbegehrten Partien Englands sein. Hatte sie ihn wiedererkannt oder wollte sie mit ihm flirten? Vielleicht beides, er würde es herausfinden. Er rief den Kellner, bezahlte den Champagner, gab ihm ein ernstzunehmendes Trinkgeld und dazu den Rat, einen Herrn im gelben Rock am Tisch direkt unterhalb der
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