Die Plantage: Roman (German Edition)
Tisches und sah langsam auf. Als ihre Blicke sich trafen, nickte er. Auch Merryman nickte. »Ich kenne meine Gäste. Aber ich überlasse Rossetti die Show, deshalb wissen die wenigsten, wer ich bin. Aber ich sehe, wer hier ein und aus geht. In London kommt jeder, der auf sich hält, in meinen Club; auch Sie, nach über sechs Jahren.« Er neigte den Kopf leicht zur Seite. »Willkommen daheim, Mr. Spencer!«
William hatte dem Mann zu keinem Zeitpunkt etwas vormachen können. Merryman wusste, warum er gezwungen war, sein Inkognito zu wahren. Er hatte auch recht, wenn er ihn davon abbringen wollte, sich mit einer Organisation anzulegen, die eine Nummer zu groß für ihn war. Doch William suchtekeine Konfrontation mit dem Kartell. Auch wenn ihn kalter Zorn packte beim Gedanken, dass sich an der Waffenschieberei Männer bereicherten, auf deren Befehl er oft genug sein Leben riskiert hatte; hohe Offiziere, die ohne jeden Skrupel Truppen ins Mündungsfeuer von Waffen schickten, die sie selber dem Gegner verkauft hatten. Nein, mit einem abgeschmackten Skandal um korrupte Würdenträger wollte William nichts zu schaffen haben. Es ging ihm lediglich darum, Néné wiederzufinden. Wie es aussah, führte die Suche nach dem Jungen zwangsläufig zu diesem Waffenschmuggler, dem Agenten der Starline, dem Master. Merryman würde ihm sicher weiterhelfen können. William musste nur den Eindruck zerstreuen, er befände sich im Heiligen Krieg gegen das organisierte Verbrechen.
»Hören Sie, Merryman, ich habe nicht vor, dem Polizeichef von London die Arbeit abzunehmen. Ich interessiere mich nur aus einem einzigen Grund für die Starline: Mein Diener, ein junger Schwarzer, ist verschwunden. Ich habe erfahren, dass er auf der Tristar anheuern wollte; das war vor zwei Tagen. Von dem Jungen fehlt jede Spur. Sie hatten mir Ihre Hilfe angeboten, nun komme ich darauf zurück. Sie können mir helfen, den Jungen wiederzufinden, wenn Sie mir sagen, wer der Agent der Starline ist und wo ich ihn antreffe.«
Merryman wurde ernst: »Kennen Sie das Palais DuBreille, am Stadtrand, außerhalb der alten Wälle? Ein altertümlicher, einschüchternder Bau, die Imitation einer mittelalterlichen Burg mit all ihren abschreckenden Merkmalen. Lord DuBreille hat das Anwesen an die Starline vermietet, es heißt, der Agent der Gesellschaft residiere dort wie ein böser Infant in Abwesenheit des Regenten. Er ist der Master. Die Angestellten der Agentur und die Crews scheinen ihn zu fürchten, dabei wirkt er auf den ersten Blick so sanft und betörend wie ein Engel. Er genießt einen zweifelhaften Ruf – traurig, dass Schönheit so verworfen sein kann! Er ist oft hier gewesen, ein manischer Spieler; behauptet, er sei Amerikaner, doch seinem Aussehennach vermute ich, er ist Kreole. Er nennt sich Oliver Roscoe.« Merryman bemerkte, dass sein Gegenüber aschfahl geworden war. »Mr. Roscoe scheint für Sie kein unbeschriebenes Blatt zu sein, Mr. Spencer?«
Es fiel William nicht leicht, ruhig zu bleiben. Schon bei Merrymans Beschreibung hatte sich sein Herzschlag ahnungsvoll verlangsamt. Der Name Roscoe ließ Hass wie Übelkeit in ihm aufwallen, dunkel und zäh wie das Sekret einer vernachlässigten Wunde, die nach Monaten wieder aufbrach. Als hätte er nur auf diesen Augenblick gewartet, war sein Rachewunsch zurück, ein starker, wohlvertrauter Impuls, der seinem Leben nach allen Zweifeln wieder Gewissheit gab.
Er sagte beherrscht: »Mr. Roscoe hat seine charakterlichen Defizite schon bei anderer Gelegenheit bewiesen. Was Sie jetzt erzählen, klingt nicht ermutigend.« Er nahm sein Glas und trank einen Schluck Wein. »Falls sich mein Diener in diesem Schloss aufhält, muss ich ihn so bald wie möglich da rausholen. Die Tristar soll morgen auslaufen. Verstehen Sie, ich will den Jungen nicht verlieren.«
»Gut, ich werde sehen, ob ich über das Palais DuBreille etwas in Erfahrung bringen kann, das uns weiterhilft. Warten Sie hier«, sagte Merryman und begab sich ins Casino.
31.
Im Palais DuBreille liefen die Fäden eines weit gespannten Schmugglernetzes um den Nordatlantik zusammen. Mit dem üblichen Schwarzhandel teurer Konsumgüter aus den Kolonien, Alkohol, Farbpigmente und Tabak, befassten sich die Initiatoren nur am Rande. In der Hauptsache ging es um Waffenschieberei, Menschen- und Drogenhandel. Die illegalen Geschäftswege verliefen über die Kanalinseln, entlang der französischen Atlantikküstezwischen La Rochelle und dem Golf von Biskaya und
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