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Die Plantage: Roman (German Edition)

Die Plantage: Roman (German Edition)

Titel: Die Plantage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Tarley
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aus Organza mit Spitzenjabot und überlangen Manschetten, blauseidene Beinkleider, eine Weste aus saphirblauem Brokat, golddurchwirkt und perlenbesetzt wie die Mieder in elisabethanischer Zeit. Darübergeworfen ein Admiralsrock aus nachtblauem Samt mit aufgeschlagenen Schößen, trotz der Stofffülle auf Roscoes schlanke Figur gearbeitet und verziert mit funkelnden Litzen und einem Besatz von goldenen Spangen. Wie er in seinen Stulpenstiefeln dahinschritt, erinnerte er an einen Freibeuter des vergangenen Jahrhunderts.
    Néné betrachtete ihn fasziniert und vergaß einen Augenblick, wie hungrig er war. Roscoe nahm in einem Sessel am Kopf der Tafel unterhalb des Altans Platz und wies Néné an, sich neben ihn an die lange Tischseite zu setzen.
    »Iss, Junge!«
    Das ließ sich Néné nicht zweimal sagen, er zog eine silberne Brotschale, die in seiner Reichweite stand, heran, aß fast das ganze Brot, nahm sich auch einen Apfel. Roscoe füllte zwei Becher mit Wein, nahm einen Becher für sich und schob den anderen Néné hin. Er lehnte sich zurück, um ihn ohne besonderes Interesse zu betrachten.
    »Trink!«
    Néné nahm den Becher, trank durstig und zu schnell, verschluckte sich hustend; das brachte ihn zur Besinnung und machte ihm wieder bewusst, wo er war und neben wem er saß. Er rutschte in seinem Stuhl zurück und sah Roscoe verstohlen an, der lässig den Becher mit Wein in der Hand balancierte.
    Roscoe blickte abwesend in das Feuer des Höllenkamins. Er hatte seine Pläne mit diesem jungen Sklaven, der eine so leichte Beute für ihn geworden war. Am späten Abend erwartete er Gäste, Néné sollte sie bedienen. Auf den Gesellschaften in der Burg wurde keine besonders subtile Unterhaltung geboten, in diesem Punkt legte Roscoe keinen Wert auf Raffinement, es ging um die Befriedigung vordergründig motivierter Lüste. Heute würde ein Gelage arrangiert werden; seine Freunde sollten auf Ruhebetten liegen und speisen, während der junge Schwarze beim Essen aufwarten und danach den Gästen bei was auch immer dienlich sein sollte; etwas in dieser Art stellte Roscoe sich vor. Er hatte seine Erfahrung mit schwarzen Sklaven, die duldsame Lethargie des Jungen erschien ihm für den Anlass perfekt. Während er seinen Gedanken nachhing, beobachtete er Néné mit seinem samtweichen Blick. Das machte den Jungen nervös, der, um das lastende Schweigen zu brechen, anfing, über das Erste, das ihm gerade ins Auge fiel, zu reden.
    »Sie haben da einen sehr schönen Stock, Sir. Ich meine, ich erkenne so was, diese feinen Sachen für richtige Gentlemen.«
    Roscoe sah neben seinem Platz herab; dort lehnte ein Stock mit schlankem Mahagonischaft und kunstvoll geschnitztem Elfenbeinknauf, ein unverzichtbares Accessoire seiner Garderobe, das er stets unterm Arm bei sich trug. »Du kennst dich also aus?«
    »Oh ja, mein Herr ist ein richtiger Gentleman, so wie Sie, Sir. Er hat auch einen solchen Stock. Jedenfalls sehr ähnlich, aus schwarzem Holz.« Néné beugte sich herab, um sich Roscoes Stock genau anzusehen. Dann nahm er wieder ein Stück Brot und redete kauend weiter. »Also unser Stock ist länger, und derGriff ist ganz anders, mit dem Kopf von ’nem Pferd. Sieht sehr schön aus, dieser Stock von Mr. Marshall, ist aber nicht ungefährlich. Ich hab mir damit mal fast den Fuß durchbohrt, weil unten so ’ne lange Eisenspitze … Was ist denn?«
    Roscoe war nach vorn geschnellt, dass er den Jungen fast berührte. Seine schwarzen Augen bekamen einen harten Glanz, als er fragte: »Ein Ebenholzstock mit einem Pferdekopf als Griff und einem spannenlangen Dorn?«
    Néné nickte eingeschüchtert.
    Roscoe ließ sich wieder in seinen Sessel zurückfallen. »Iss noch etwas«, sagte er.
    Néné griff wieder zu, denn er hatte immer noch großen Hunger. Roscoe sah ihm eine Weile beim Essen zu.
    »Wenn du unbedingt nach Amerika zurück wolltest, warum bist du dann deinem Herrn davongelaufen?«
    Néné hörte auf zu kauen.
    »Du hättest doch nur warten brauchen, bis ihr wieder zurückfahrt nach Georgia, oder war’s Carolina?«
    »South Carolina! Mr. Marshall hat mich für seine Plantage am Plains River gekauft.« Néné überlegte kurz. »Na ja, es ist nicht seine Plantage, aber er bestimmt, was gemacht wird.«
    »Wessen Plantage ist es denn?«
    »Sie gehört Miss Antonia.«
    Roscoe betrachtete ihn erstmals interessiert. »Und dein Mr. Marshall, ist er ihr Mann?«
    »Vielleicht, ich weiß es nicht. Charlene sagt, der Mann von Miss Antonia ist

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