Die Plantage: Roman (German Edition)
wissen? Er weiß doch selbst nicht, was er tut.« Roscoe lachte unfroh, er sagte bei sich: »Erst will er, dass ich gehe, dann schreibt er, ich soll wieder nach Hause kommen – ›nach Hause‹, wie harmlos das klingt!«
William hatte ihn genau beobachtet. »Und, werden Sie zu ihm zurückkehren?«
»Was geht Sie das an?«
»Ich hörte, Sie haben vor, nach Amerika zu fahren.«
Auf einmal wurde Roscoe argwöhnisch. »Worauf wollen Sie hinaus, Spencer?«
»Nun, ich denke, dass Sie Ihren Freund vor mir warnen werden.«
Roscoe wollte etwas erwidern, überlegte es sich aber dann anders. Er lehnte sich zurück und zupfte müßig an den Goldtressen seines Admiralsrocks, als hätte er das Interesse an der Unterhaltung verloren.
William erkannte, dass er von ihm nichts mehr erfahren würde. Ernüchtert besann er sich des Knaben, der unten tot im Wagen lag; er musste Roscoe deswegen zur Rede stellen. »Hören Sie, Mr. Roscoe«, sagte er beherrscht, »ich bin hier, um Sie wegen der Misshandlung meines Dieners zur Rechenschaft zu ziehen. Also, kommen Sie freiwillig mit?«
»Ich wusste, dass Sie davon anfangen würden!« Roscoe stand auf und stolzierte mit wiedergewonnener Sicherheit durch die Kanzlei. »Reden Sie mit Inspektor MacGrath, Sie finden ihnunten an der Bar. Sagen Sie ihm, welche Summe Ihnen als Schadensersatz vorschwebt. Er soll das mit der Agentur regeln; man wird Ihnen das Geld anweisen.«
Er wandte sich an Earnshaw und Persephone, die seinem Wortwechsel mit William verständnislos zugehört hatten. »Nun müssen Sie mich leider entschuldigen. Ich sollte längst auf meinem Schiff sein. Miss Hunter! Gentlemen!«
Nach einer gekonnten Verbeugung vor Persephone ging er zum Ausgang. William wollte ihn aufhalten. Doch es kam ihm jemand zuvor.
»Ich fürchte, Sie müssen Ihre Reise verschieben, Mr. Roscoe.«
Ronnie, der von allen unbeachtet beim Eingang gewartet hatte, stand plötzlich mit der Pistole im Anschlag zwischen Roscoe und der Tür.
»Sie kenne ich doch!«, meinte Roscoe verblüfft. »Sie waren schon öfter hier, nicht wahr?« Er wandte sich an William: »Gehört der auch zu Ihnen?«
Nur William spürte, dass Ronnie über seine eigene Kühnheit entsetzt war. »Danke, Mr. York«, sagte er, und an Roscoes Adresse: »Ich denke, die Präfektur von Westminster ist für Ihren Fall zuständig.«
Mit einer Geste forderte er Roscoe auf, ihm zu folgen. Roscoe aber machte keine Anstalten mitzukommen. Er sah ungerührt an William vorbei und meinte: »Worauf warten Sie, Earnshaw!«
In der Stille des holzgetäfelten Raums war ein leises Klicken zu hören, gefolgt von einem metallischen Einrasten, eine Pistole war entsichert, der Abzug gespannt worden.
»Tut mir leid, William, aber es wäre besser, du würdest Mr. Roscoe nicht länger aufhalten.« Earnshaw war sein Stolz schon lange abhandengekommen, und er hatte zu viel zu verlieren, wenn Roscoe ihn preisgäbe. Mit ruhiger Hand zielte er nun auf den Rücken seines ehemals besten Freundes. Er war ein guterSchütze, und er würde schießen, sobald William eine falsche Bewegung machte. Also breitete William langsam die Arme aus; er würde nicht nach seiner Waffe greifen.
»Es ist vorbei, Ronnie. Sie können die Pistole herunternehmen«, sagte er. Erleichtert ließ Ronnie die Waffe sinken.
Mit wiegenden Schritten kam Roscoe auf ihn zu. »Ronnie, Ronnie, Ronnie«, sagte er kopfschüttelnd, »das ist nicht die richtige Gesellschaft für Sie.« Er nahm ihm die Duellpistole aus der Hand und steckte sie in seine Rocktasche. Dann ging er zu William. Er trat nah heran und sah ihn lange an, fand aber in seinen beherrschten Zügen weder Verachtung noch Wut. William, der deutlich größer war als Roscoe, sah einfach über ihn hinweg.
»Sie erlauben?« Roscoe zog die Aufschläge von Williams Rock auseinander. Er hätte die Pistole einfach aus dem Holster nehmen können. Stattdessen legte er ihm seine Hände rechts und links auf die Brust und ließ sie langsam bis zu Williams Hüften herabgleiten. William fühlte, wie sein Herzschlag aussetzte, als Roscoes Finger mit Nachdruck über die Narben fuhren, die unter dem Stoff der Kleidung geschützt und doch empfindlich für die Berührung waren. Er hielt den Atem an. Endlich zog Roscoe mit der Rechten Williams Pistole aus dem Holster und trat zurück.
Zum Vergleich nahm er die Pistole, die er Ronnie abgenommen hatte, hervor und pfiff leise durch die Zähne. »Donnerwetter, ein schönes Paar! Gezogene Läufe! Die werde ich
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