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Die Plantage: Roman (German Edition)

Die Plantage: Roman (German Edition)

Titel: Die Plantage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Tarley
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verantworten; unter anderem zog das Urteil seine unehrenhafte Entlassung nach sich. Das war nun selbst für jemanden wie Oliver Roscoe mit seinem eigenwilligen Ehrbegriff zu viel. Bevor ihn die Militärpolizei zur Verbüßung der verhängten Strafe festnehmen konnte, verließ er Savannah für immer.
    In jenem Sommer 1776 herrschte Siegesstimmung in South Carolina. General Lees Kontinentaltruppen hatten mit Unterstützung der örtlichen Milizen dem britischen Expeditionsheer eine vernichtende Niederlage beigebracht. Als dann am 4. Juli in Philadelphia die Unabhängigkeit für alle dreizehn Kolonien proklamiert wurde, gaben die Briten den Feldzug im Süden auf und der kommandierende General Clinton schiffte sich mit dem englischen Heer nach New York ein.
    South Carolina feierte seine Unabhängigkeit mit überschwänglicher Begeisterung. Als Oliver Roscoe in Charles Town eintraf, schien die Stadt nur auf ihn gewartet zu haben. Die Patrioten luden ihn zu ihren Siegesfeiern ein, denn er war einer aus dem Süden, das reichte als Entree; »Savannah Kid« nannten sie ihn oder einfach »Handsome«. In der neuen Umgebung verlor er kein Wort über seine Karriere als Profikämpfer, sondern gab sich ganz im Stil der eleganten Stadt als Dandy. Mangels eigener Einkünfte auf finanzielle Zuwendungen angewiesen, ließ er sich aushalten; wer seine Spielschulden bezahlte, dem zeigte er sich erkenntlich, wie es von ihm erwartet wurde.
    Dann begegnete er Algernon Reed. Die beiden Männer hätten unterschiedlicher nicht sein können, der feine, zurückhaltende Reed und daneben Roscoe, ein promiskuitiver Stutzer, ungebildet, schwierig, infantil. Doch es gab Parallelen; beide trugen schwer an den Defiziten ihrer jungen Jahre und an dem Schaden, den jeder auf seine Art daran genommen hatte. Vielleicht hatten beide gespürt, dass sie genau das verband, was sie von denen trennte, deren Lebensweg ohne tiefere Erschütterungen verlaufen war.
    Sie waren schon eine Zeit lang befreundet, als Roscoe erstmals Reeds geistige Aussetzer bemerkte. Dann wurde er eines Tages Zeuge des bestialischen Tötungstriebes seines Freundes, und nun begriff er, dass Reed geistesgestört war. Trotzdem erwog er zu keinem Zeitpunkt, ihn den Behörden auszuliefern. Ebenso wenig machte er sich Gedanken darüber, ob er selber in Reeds Nähe gefährdet war. Treu blieb er bei ihm, und was immer sein Freund auch tat, er fühlte sich ihm nur noch mehr verbunden.
    Reed gab ihm zum ersten Mal das Gefühl, mehr wert zu sein als das Preisgeld der Arena; dafür liebte er ihn und tat alles in seiner Macht Stehende, damit sein Wahnsinn unentdeckt blieb. Bis zu einem gewissen Grad konnte er sogar mäßigend auf ihn einwirken, wenn er die Vorzeichen rechtzeitig bemerkte und ihn ablenkte, bis der Zwang von ihm abließ. Doch wenn Reed dem Tötungstrieb erst einmal verfallen war, tat Roscoe ihm jeden Willen, er konnte nicht anders: Er wollte Reeds Ekstase miterleben, in seinen grünen Augen den Irrsinn sehen, den erregenden Ausdruck seiner Raserei.
    Nach dem tödlichen Ritual fand Reed nur schwer in die Wirklichkeit zurück und blieb noch einige Zeit verwirrt. Roscoe brachte ihn dann in Sicherheit und verwischte die Spuren der Tat. Aber er tat noch etwas anderes.
    Unmittelbar nach einem Anfall, wenn sich der Zugriff des Irrsinns lockerte und Reed sich plötzlich als mordendes Untiererkannte, dann ließ ihn das Entsetzen über seine Bluttat annähernd menschlich empfinden. In diesen kurzen Augenblicken konnte Roscoe ihm nahe sein. Er strich ihm zärtlich durchs Haar, umarmte ihn und betrachtete sein klares, männliches Gesicht. Er beobachtete ihn genau; Reed schrak vor intimen Berührungen zurück, darum musste er vorsichtig sein, wenn er das Blut von seinen Lippen küsste. Reed in diesem Zustand so nahezukommen, war gefährlich; für Roscoe lag darin ein besonderer Reiz.
    »Mein armer Algie!«, sprach er zwischen einem Kuss und dem nächsten. »Algie, Darling, Algie, mein Liebster!«
    Selten tat er mehr. Manchmal tat er es doch und stillte sein Liebesverlangen, zog ihn an sich, fasste sein Geschlecht und streichelte ihn, während er in ihn eindrang. Reed nahm es hin als das, was es war, die Liebe eines Mannes. Er blieb passiv, was Roscoes Leidenschaft nur noch steigerte: Nichts kam dem gleich, Algie im Höhepunkt in den Armen zu halten! Auch dafür liebte er ihn.
    Später brachte er den Freund zurück in sein leeres Haus. Sie schliefen in dem großen Bett und hörten den Atem des anderen.

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