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Die Plantage: Roman (German Edition)

Die Plantage: Roman (German Edition)

Titel: Die Plantage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Tarley
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ausgestellt am 30. Mai 1782 für Mr. Joshua Robert, Gutsverwalter.« Stockend las der Wachmann den Wortlaut des amtlichen Schreibens: »Ehemann der vormaligen Sklavin Rovena Mougadou, vordem im Eigentum von Mr. Frank Shaughnessey.« Er warf Joshua einen verächtlichen Blick zu. »Hab mich schon gewundert, wieso sie die schwarze Hexe zu uns gebracht haben anstatt ins Work House. Aber wozu der noch Benehmen einbläuen, das Luder wird so und so gehenkt.«
    Die anderen Wachen lachten roh. Joshua ballte die Fäuste in den Taschen und schwieg. Wenn er seine Frau sehen wollte, durfte er sich mit den Männern nicht anlegen.
    »Dann komm mal mit, Nigger«, meinte der Wachmann. Er griff sich die Schlüssel, nahm einen brennenden Kienspan aus der Feuerstelle und sperrte eine eisenbeschlagene Tür auf, die von der Wachstube in den Kerker führte. Im Gang dahinter schlug ihnen ein Schwall schimmeliger Luft entgegen, dass es Joshua fast den Atem nahm, bevor er beklommen die Treppe hinunterstieg, Unten schloss der Wachmann das deckenhohe Gittertor des Kerkers auf, warf den Kienspan in einen Feuerkorbund winkte Joshua, ihm zu folgen. Es herrschte nahezu Dunkelheit, die Kellerluken waren mit Holzklappen fest verschlossen. Ehe Joshua in dem spärlichen Feuerschein etwas erkennen konnte, vermittelten ihm schon die Gerüche und Geräusche einen Eindruck von der erbärmlichen Lage der Gefangenen. Unter dem niedrigen Gewölbe stand die Luft, es roch nach ungewaschenen Leibern, nach Exkrementen und Erbrochenem aus einer fauligen Grube unter der Verladerampe, durch die bei jedem Wellenschlag vom Kai Wasser hereinschwappte.
    Als Joshua sich an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatte, sah er, dass der Kerker als ein einziger großer Raum die gesamte Grundfläche des Gebäudes einnahm. Das Ziegelgewölbe der Decke ruhte auf gedrungenen Säulen. Die Gefangenen waren mit kurzen Fußketten an diese Säulen gekettet, sodass sie sich kaum einen Schritt davon entfernen konnten. Entlang der Außenmauern, in den Nischen zwischen den Pfeilern des Fundaments, lagen Gefangene in Halseisen, meist zu mehreren mit langen Ketten an Wandringe geschlossen. Joshua folgte dem Wachmann durch die Masse hustender, ächzender Menschen, die auf schmutzigem Stroh am Boden lagen.
    Vor einer Mauernische blieb der Wachmann kurz stehen. »Viertelstunde«, sagte er und ging.
    Joshua hörte leises Klirren. In der Nische kauerte eine Gestalt, die heiser seinen Namen sagte: »Josh!« Er warf sich neben Rovena auf den Boden und zog sie behutsam an sich. Tagelang hatte er nichts von seiner Frau gehört, zur Tatenlosigkeit verdammt, war er wie erstorben umhergegangen. Ohne Rovena gab es für ihn kein Glück, sein Lebensmut schien versiegt. Nun hielt er sie hilflos in den Armen. Der Stolz seiner schwarzen Königin war gebrochen, und er weinte.
    Ihr kahl geschorener Kopf lehnte an seiner Schulter. »Du darfst ihnen nicht glauben, Josh. Wir haben nichts Böses getan«, flüsterte sie.
    Ach, wie hätte er diesen Lügen glauben können! Rovena war keine Hexe. Gewiss hatte sie großen Einfluss unter ihren Stammesleuten, sie wurde respektiert und man hörte auf ihren Rat. Aber das andere, die Stimmen, die aus ihr sprachen, das hatte seine Ursache in einer Sphäre, die sich menschlichen Einsichten entzog. Rovena nutzte ihre Gabe nur zum Guten. Niemals gäbe sie sich für dunkle Machenschaften her, geschweige denn für einen Mord.
    Er versuchte, im trüben Lichtschein ihre Züge zu erkennen, und berührte ihr Gesicht, das von Wundschorf überzogen war. Sie zuckte zurück, als er erschrocken das Ausmaß der Verletzungen feststellen wollte.
    »Was haben sie dir angetan!«, stieß er hervor. »Oh Rovena, es tut mir so leid. Was kann ich machen? Sag es mir, Rovena!« Er spürte den leichten Druck ihrer Hand; auch jetzt war sie es, die ihn tröstete, nicht umgekehrt.
    »Du kannst nichts machen, Josh. Sie werden uns den Tod der weißen Frau sühnen lassen. Wenn es vorbei ist, werdet ihr anderen wieder in Frieden leben können.«
    »Wie kannst du glauben, dass Friede sein wird, wenn sie dir und den Mougadous das Leben nehmen! Wir werden das nicht hinnehmen, das schwöre ich dir!«
    »Nein, Josh, tu das nicht! Du darfst unsere Leute nicht verleiten, sich gegen die Weißen aufzulehnen, es wäre das Ende für euch alle. Du hast so viel erreicht, und du kannst so viel mehr für uns tun. Wähle nicht den Weg der Vergeltung.«
    »Soll es denn immer so weitergehen?«, sagte er mühsam beherrscht.

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