Die Plantage: Roman (German Edition)
finden.«
»Du willst dich rächen!«, sagte sie erschrocken. »Was würde das ändern? Du kannst nicht ungeschehen machen, was passiert ist.«
»Meinst du, das wüsste ich nicht? Ich werde für immer mit der Erinnerung leben müssen. Du hast keine Ahnung, wie es ist, wenn dir solche Qualen zugefügt werden, dass dir der Tod wie eine Erlösung erscheint … Um meiner Selbstachtung willen, muss ich mich rächen, verstehst du? Ich kann sie nicht weiterleben lassen, nachdem sie ihr perverses Vergnügen mit mir hatten.«
»Wer weiß, wohin der Krieg sie geführt hat?«, versuchte sie, ihn zu beschwichtigen. »Die Truppen sind schon lange weitergezogen.«
»Milizen ziehen nicht fort. Nein, die beiden müssen in dieser Gegend sein.«
»Vielleicht sind sie nicht mehr am Leben? Du wirst wahrscheinlich nie erfahren, was aus ihnen geworden ist.«
»Menschen haben Namen.«
»Du kennst ihre Namen?«
»Sie waren so höflich, sich vorzustellen: Captain Reed, Lieutenant Roscoe. Ich werde sie finden.«
Er nahm Weste und Rock und zog sich vor dem Kaminspiegel an. So sah er nicht, wie blass sie geworden war.
Reed und Roscoe, Henrys Freunde! Oh, sie waren ihr noch nie geheuer gewesen, weder Roscoe mit seiner manischen Spielsucht, noch Reed, dieser Millionär ohne Familie und Vergangenheit. Als er sich bei ihrem Geburtstagsdinner als Held feiern ließ, konnte seine Begegnung mit William erst wenige Tage zurückgelegen haben! Fröstelnd zog sie die Decke um sich. »Ja, William«, sagte sie leise, »ich bezweifele nicht, dass du sie finden wirst.«
Sie bemerkte, dass er sie einen Augenblick lang forschend ansah. Ob er ahnte, dass sie ihm etwas verschwieg? Selbst wenn, sie würde ihm nicht sagen, was sie über seine Peiniger wusste: Aus demselben Grund, aus dem sie sein Leben gerettet hatte, wollte sie mit seiner Rache nichts zu schaffen haben.
Er musste ihre Vorbehalte gespürt haben, nahm wortlos den Stock und wandte sich zum Gehen.
»William!«
In der Tür drehte er sich um. Hatte sie wirklich erwartet, er käme noch einmal zurück?
»Deine Rachsucht macht mir Angst, Will! Es ist so viel Schlimmes passiert, ich will nur, dass es endlich vorbei ist. Nach Henrys Tod, nach der Zerstörung der Plantage möchte ich wieder in Frieden hier leben. Das verstehst du doch?«
Er sah sie an, unnahbar wie je, verneigte sich knapp und ging.
V. Colonel Spencer
16.
Offiziell wohnte William im Verwalterappartement, einer abgeschlossenen Wohnung im rechten Flügel des Hauses. Die wahren Verhältnisse im Herrenhaus blieben jedoch kein Geheimnis; es überraschte auch niemanden. Die Leute auf der Plantage sahen, dass der Verwalter das Vertrauen der Herrin gewonnen hatte, es erschien ihnen ganz natürlich, dass mehr daraus wurde.
Antonia lernte schnell, was es hieß, ihr Leben mit William zu teilen. Es beschränkte sich darauf, dass er sie begehrte; ihr mädchenhafter Liebreiz war für ihn eine ständige Versuchung. Und sie ließ sich darauf ein, es gefiel ihr, wenn er sie leidenschaftlich bedrängte. Wahrscheinlich hätte er sie glücklich machen können, wenn er sie liebevoller behandelt hätte. So war sie sich nicht sicher, ob er über die rein körperliche Anziehung hinaus viel für sie empfand. Manchmal bezweifelte sie, dass er tieferer Gefühle überhaupt fähig war. Er verließ sie im Morgengrauen und verbrachte den ganzen Tag auf den Reispflanzungen oder an seinem Schreibtisch. Antonia zog sich in die Bibliothek zurück, vertiefte sich in ihre Bücher und wartete doch nur darauf, dass die Zeit verging, bis er zurückkam.
Als Verwalter von Legacy begegnete William ihr mit allem gebührenden Respekt. Aber er ließ keinen Zweifel aufkommen, dass er die Entscheidungen traf. Außer Charlene nahmen die Leute Anweisungen jetzt von ihm entgegen. Selbst Joshua hatte sich, was die Organisation der Plantage betraf, mitWilliams Führungsanspruch abgefunden. Und Néné wich ihm nicht mehr von der Seite. William hatte ihn Shaughnessey kurzerhand abgekauft und zu seinem Leibdiener gemacht. Er hatte den stillen Jungen gerne um sich, behandelte ihn gut und ließ ihn in der Kammer neben seinem Ankleidezimmer schlafen. Antonia hatte er erklärt, er wolle Néné ein ungewisses Schicksal ersparen.
Jeden Tag ritt William als Erster zu den Reispflanzungen, neuerdings begleitete ihn der fähige junge Lieutenant Farell. Nachdem er sich einen Überblick über das Bewässerungssystem von Legacy verschafft hatte, riet er William, die alte und überdies
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