Die Plantage: Roman (German Edition)
Nase mit dem silbrigen Blässenstern.
»So ein Schöner! Was ist mit ihm passiert?«
»Das weiß keiner so genau, Ma’m. Er ist ein englisches Vollblut, hatte ein paar gute Rennen, war dann nicht mehr an den Start zu bringen. Er drehte durch, brachte das ganze Feld durcheinander. Wie ich schon sagte, er ist verrückt. Jammerschade!«
Endlich kam der Stalljunge mit dem Hafer. Antonia überließ ihm Grace und ging in die Posthalterei, die in dem Gasthaus zwischen Nashs Lager für Baumaterialien und der Pharmazie von Seamus Boyle untergebracht war. Die Postausgabe befand sich im vorderen Teil der Wirtsstube. Weiter hinten an der Bar standen die Männer der Jagdgesellschaft. Den einen oder anderen kannte Antonia vom Sehen, es waren Pflanzer vom Cooper River, auch Offiziere in den Felduniformen von General Greenes Armee.
Sie wandte sich gleich zur Poststelle. Der Dienstmann nahm ihre Geschäftsbriefe für den Boten nach Charles Town entgegen, dann ging er die Post für Legacy holen. Während sie einen Stapel Zeitungen nach halbwegs aktuellen Ausgaben durchsuchte, wurde sie auf einmal angesprochen.
»Mrs. Lorimer! Ist das die Möglichkeit? Verzeihen Sie, Madam, ich hielt Sie zuerst für den Postreiter!«
»Oh, Mr. Reed. Sollte das ein Kompliment sein?«, erwiderte Sie kühl.
Er betrachtete belustigt ihren unkleidsamen Aufzug, den grauen Dreispitz, die weite Reitjacke und die Stulpenstiefel, und fragte spöttisch: »Was macht eine Dame wie Sie in einer Bar?«
»Ich kam lediglich zur Poststelle. Falls Sie etwas Skandalöses erwartet haben, muss ich Sie enttäuschen.«
»Sie können mich gar nicht enttäuschen! Ich bin jedes Mal entzückt, Sie zu sehen, in einer Poststelle, einer Bar, wo auch immer. Darf ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«
»Danke, Mr. Reed, aber ich habe alles, was ich brauche.«
Wieso musste sie gerade ihm begegnen? Reed verunsicherte sie, auch wenn ihr nicht klar war, warum. Sein Verhältnis zu Henry hatte ihr nicht gefallen. Nun war Henry tot. Und sein Dandy-Freund Roscoe, der sich jahrelang von ihm aushalten ließ, war auch verschwunden. Der Gedanke, dass sie Reeds Interesse geweckt haben könnte, bereitete ihr Unbehagen. Um die Unterhaltung zu beenden, bezahlte sie den Briefboten und die Zeitungen. Doch ehe sie Einwände erheben konnte, nahm Reed ihre Posttasche und den Packen Zeitungen, um die Sachen für sie hinauszutragen. Wenn sie sich nicht lächerlich machen wollte, musste sie sich seine Hilfe wohl oder übel gefallen lassen.
Er begleitete sie zum Wagenstand, wo Grace angebunden wartete. Während sie die Zeitungen in der Satteltasche verstaute, machte er weiter Konversation: »Auf meinen Pflanzungen am Ashley River scheint ohne meine Aufsicht nichts zu funktionieren, daher bin ich dort ziemlich angebunden. Jagdausflüge hin und wieder sind mein einziger Kontakt zur Außenwelt. Sie können also verstehen, wie sehr ich mich freue, Sie heute wiederzusehen.«
Antonia schwieg.
Unbeeindruckt von ihrer abweisenden Haltung, sprach Reed weiter: »Was machen Ihre Pläne bezüglich der Plantage? Wie ich hörte, werden Sie wieder anbauen.«
»Wir haben begonnen, die Reispflanzungen am Plains River instandzusetzen.«
»Wir?«
»Ich habe einen Verwalter eingestellt.«
»Tatsächlich? Ich vermute, es handelt sich um denselben Gentleman, der im Planters Club auf eindrucksvolle Weise dafür sorgte, dass Ihnen der gebührende Respekt gezollt wurde?«
»Ihr Kontakt zur Außenwelt scheint mir doch recht gut.«
»Ich bitte Sie, die ganze Stadt redet davon!«
»Nun gut, Sie haben recht, dieser Gentleman, Mr. Marshall, ist mein Verwalter.«
Reed hob die Brauen. »Dem Ersten Mann auf Ihrer Plantage liegt anscheinend viel an der Verteidigung Ihrer Ehre, Madam. Es wird ihm nicht recht sein, wenn Sie unbegleitet ausreiten.«
»Es ist weder an Mr. Marshall noch an sonst jemandem, dazu eine Meinung zu haben!«
»Nun«, er verschränkte die Arme und lächelte, »ein Mann fordert nicht den gesamten Planters Club heraus, wenn es nicht seine höchstpersönlichen Interessen zu wahren gilt. Mir fielen sofort Gründe für Mr. Marshalls Engagement ein …«
»Seine Gründe sind durch und durch ehrenhaft«, sagte sie gelassen.
»Jetzt haben Sie mich neugierig gemacht.« Er lächelte noch immer auf seine distanzlose Art. »Ich hoffe, ich lerne den ehrenhaften Mr. Marshall bei Gelegenheit kennen, Madam.«
Antonia schwang sich in den Sattel, grüßte knapp und ritt davon.
Als sie Grace zum Stall brachte,
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