Die Plantage: Roman (German Edition)
sie hörte aus dem Büro die Stimmen von William und Farell. Die Tür ging auf und Farell trat mit so viel Schwung heraus, dass er beinahe mit ihr zusammenstieß.
»Verzeihen Sie, Mrs. Lorimer!« Höflich wies er nach drinnen. »Bitte, Ma’m, Sie können eintreten.«
»Sehr freundlich, Mr. Farell.« Sie wich einen Schritt zurück. »Eigentlich wollte ich nicht …«
»Soll ich Mr. Marshall sagen, dass Sie ihn sprechen möchten?«
»Nein! Ich meine, das ist nicht nötig. Danke sehr!«
Farell schien entschlossen, seine gute Erziehung unter Beweis zu stellen, selbst wenn er ihr die Tür bis in alle Ewigkeit aufhalten müsste. Also schickte sie sich ins Unvermeidliche und ging hinein.
William war nicht da. Das Feuer im Kamin war heruntergebrannt, der Raum nur matt von einer Petroleumlampe erhellt. Die Tür zum Verwalterappartement stand einen Spalt offen. William musste nach nebenan in seine Wohnung gegangen sein, nachdem sich Farell von ihm verabschiedet hatte. Erleichtert wollte Antonia das Büro wieder verlassen, als durch die Halle fröhlicher Lärm schallte. Wie es sich anhörte, steuerte Charlene direkt auf das Arbeitszimmer zu. Rasch zog sich Antonia hinter den Schreibtisch zurück und stellte sich in die Nische einer Fenstertür. Im gleichen Moment betrat Charlene mit einem voll beladenen Tablett den Raum und rief zu der angelehnten Tür: »Ich habe Ihnen Ihr Abendessen gebracht, Sir.« Sie arrangierte Geschirr und Speisen auf einem Beistelltisch und setzte mit Bestimmtheit nach: »Mr. Marshall? Kommen Sie, Sir, Sie sollten wirklich etwas essen! Glauben Sie etwa, es tut Ihnen gut, ständig unterwegs zu sein, ohne ’nen Happen zu sich zu nehmen? Sir?«
Antonia hörte seinen unverwechselbaren Schritt und zog sich noch tiefer in die Fensternische zurück, gerade als William eintrat.
»Ich habe Sie gehört, Mrs. Robert. Doch nehmen Sie endlich zur Kenntnis, dass ich auf Ihre Sorge um mein Wohlbefinden keinen Wert lege!«
»Du lieber Gott, Mr. Marshall!« Charlene wedelte beschwichtigend mit der Hand. »Sie sind heute aber gar nicht gut aufgelegt. Kein Wunder, Sie arbeiten zu viel und essen zu wenig. Schauen Sie sich doch an!« Sie musterte ihn von oben bis unten. »Sie sehen furchtbar aus, mager und abgearbeitet. Mrs. Lorimer hat recht, wenn sie nichts mehr von Ihnen wissen will.«
»Ihre Offenheit ehrt Sie, Mrs. Robert«, meinte William ungerührt. »Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen wollten?«
Sie standen sich noch einen Moment schweigend gegenüber, dann wandte sich Charlene zur Tür. Er blickte ihr kurz nach und entdeckte Antonia, die ihm stumm bedeutete, sie nicht zu verraten. Nachdem Charlenes Schritte in der Halle verklungen waren, brach William das peinliche Schweigen: »Wenn du willst, kannst du hinausgehen und wir vergessen einfach, dass du hier warst.«
Antonia kam verlegen aus der Fensternische hervor. Sie war schon auf dem Weg zur Tür, ihr Herz schlug immer schneller, dann kehrte sie um und lief zu ihm. »William!«
Er nahm sie in die Arme und hielt sie fest, dass es ihr fast den Atem nahm.
17.
Da Farells Mitarbeit für die Umsetzung seiner Pläne von wertvollem Nutzen war, forderte William in Fort Wren weitere Hilfskräfte an. Er formulierte ein entsprechend dringliches Gesuch an Major-General Carlyle und schickte den Lieutenant damit auf den Weg. Während Farells Abwesenheit wurden die Arbeiten am Schleusenbassin ausgesetzt. Die Männer erledigten vorübergehend die leichtere Feldarbeit, die sonst den Frauen überlassen war. Nach Wochen aufreibender Mühen ging das Leben auf Legacy wieder einen ruhigeren Gang.
William und Antonia verbrachten viel Zeit zusammen in seiner Wohnung oder in der Bibliothek, fernab vom Plantagenalltag. Nachdem sie wieder zueinandergefunden hatten, bemerkte Antonia, dass William seine überlegene Haltung langsam ablegte. Selbstironisch unterwarf er sich ihren Wünschen, und da die Instandsetzungsarbeiten vorerst ruhten, fügte er sichin die von ihr angeordnete Muße, um sein schmerzendes Bein auszukurieren. Er lernte die wohltuende Trägheit zu schätzen. Besonders liebte er es, auf dem Diwan in der Bibliothek liegend zuzuhören, während Antonia ihm vorlas oder ihm von ihren naturkundlichen oder historischen Entdeckungen berichtete. Allerdings beobachtete er ihren ernsten Eifer eher amüsiert.
Nach einer Woche meldete sich Lieutenant Farell mit guten Neuigkeiten zurück: General Carlyle hatte einen Zug des in Fort Wren stationierten
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