Die Plantage: Roman (German Edition)
grimmig dreinschauen.«
»Ich bitte um Vergebung, Madam!« Hatte er sich so wenig in der Gewalt, dass selbst diese Gans ihn durchschaute?
»Versuchen Sie nicht, mir etwas vorzumachen, Marshall«, sagte sie mit ihrem kleinen überlegenen Blick. »Ich weiß, was Sie bedrückt.«
»Bedrückt, Madam?«
»Ja, genau das sagte ich. Es geht um Antonia, habe ich recht? Glauben Sie mir, Marshall, ich habe das nicht gern getan, aber ich fühle mich für meine Schwester verantwortlich. Sie dürfen mir deswegen nicht gram sein.«
»Wenn Sie mir freundlicherweise sagen würden, weswegen ich Ihnen gram sein könnte, Miss Bell?«
»Nun, weil ich doch Antonia ins Gewissen geredet habe«, gab sie selbstgefällig zu. »In ihrer Situation muss sie sich beizeiten nach einer passenden Verbindung umsehen. Darum habe ich ihr geraten, das Verhältnis mit Ihnen zu beenden, bevor ihr guter Ruf Schaden nimmt. Als Sie eben hereinkamen und mich so düster anblickten, fürchtete ich fast, Sie wollten mir Vorhaltungen machen.«
Er hätte fast gelacht über ihr dummes Intrigieren. Sollte sie ruhig glauben, sie hätte Antonia und ihn entzweit, es kümmerte ihn nicht. Er nahm seinen Stock und stand so abrupt auf, dass sie erschrocken fragte: »Was haben Sie jetzt vor?«
»Ich werde meine Konsequenzen ziehen.«
»Bitte, Mr. Marshall, tun Sie nur nichts Unüberlegtes!«
»Ich meinte, dass ich South Carolina verlasse.«
»Oh! Nun ja. Wahrscheinlich ist das für alle das Beste.«
»Das denke ich auch. Vielleicht würden Sie mir etwas versprechen, Madam? Reden Sie bitte mit niemandem darüber, dass ich fortgehe.«
Jetzt war sie doch gerührt. »Mr. Marshall, ich werde so lange schweigen, wie ich muss.«
Er versicherte sie seiner Dankbarkeit und verneigte sich tiefer, als er es üblicherweise tat.
Die Rückfahrt in dem behäbigen Landauer ging ihm zu langsam. Hätte er doch nur den Phaeton genommen! Farell erwartete ihn beim Stauwehr, er wollte die letzten Details für den Einbau der Schleusenanlage mit ihm durchsprechen. Mit etwas Glück wären die Arbeiten am Bewässerungssystem in wenigen Tagen abgeschlossen.
Morgens vor dem Termin beim Notar hatte er Tyler mitgeteilt, dass seine Abreise feststand. Tyler hatte nicht verbergen können, dass er ihn gerne ziehen sah. William hatte ihn gebeten,Antonia in allen geschäftlichen Dingen zu beraten und darauf zu achten, dass der eingeschlagene Kurs zur Neuorganisation der Plantage beibehalten wurde. Im Übrigen würde ihr Frank Shaughnessey als Geldgeber und Freund zuverlässig zur Seite stehen. Nun musste er nur noch einen Verwalter für Legacy finden.
Joshua kutschierte aus der Stadt heraus und fuhr auf der Dorchester Road nach Norden. William lehnte bequem im Fond des offenen Wagens. Sie unterhielten sich über die kommende Pflanzsaison, dann wechselte William beiläufig das Thema.
»Ich frage mich, Mr. Robert, ob Sie mit Ihrer Stellung als Stallmeister zufrieden sind.«
»Kann mich nicht beklagen.«
»Stört es Sie eigentlich, dass ich Ihnen Anweisungen erteile?«
»Sir, Sie sind der Verwalter.«
Sie fuhren ein Stück schweigend weiter, ehe William wieder anfing: »Ich hatte immer den Eindruck, dass Sie mich als Vorgesetzten respektieren.«
»Haben Sie Anlass, daran zu zweifeln?«
»Nein. Ich denke nur, unser wirkliches Problem ist damit noch nicht aus der Welt.«
Die Pferde schnaubten. Joshua hatte die Zügel hart angezogen und brachte den Wagen unsanft zum Stehen, dann wandte er sich um. »Worauf wollen Sie hinaus?«
»Nennen wir es Ressentiments: Sie hassen mich, Mr. Robert. Nicht einmal meinen Namen können Sie aussprechen, weil Sie ihn so hassen wie alles an mir.«
Joshua sprang vom Kutschbock und kam zum Wagenschlag. »Haben Sie mir irgendetwas vorzuwerfen?«
»Keineswegs!«
»Also was kümmert es Sie, was ich von Ihnen halte oder wie ich Sie nenne, solange ich auf Legacy meine Arbeit mache?«
»Legacy! So kommen wir der Sache schon näher. Sie würden alles tun, um auf der Lorimer-Plantage bleiben zu können, nichtwahr? Darum geben Sie sich devot und befolgen auch schön meine Anweisungen, obwohl sie mich hassen und – seien Sie ehrlich, Mann! – Sie mich lieber heute als morgen zum Teufel schicken würden. Aber Sie können nur machtlos zusehen und dabei denken: Soll er sich doch aufspielen. Irgendwann hat die Lady genug von ihm und setzt ihn wieder an die Luft.«
Er sah, dass Joshua die Fäuste ballte, und behielt ihn wachsam im Auge, als er fortfuhr: »Was aber, wenn
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