Die Plastikfresser
stellte sich ein verbogenes Stück einer dünnen Polythenplatte heraus, die eines seiner Kinder wahrscheinlich die Toilette hinuntergespült hatte.
Aber Dr. Ainslie war Bakteriologe.
Von Natur aus ein sanftmütiger Mann, hatte er nie besonders ernsthaft danach gestrebt, die akademische Stufenleiter emporzuklettern, und so saß er nun – er war schon in mittleren Jahren –, immer noch auf dem Posten eines Dozenten in der bakteriologischen Fakultät eines Londoner Universitätskrankenhauses fest. Seine Zeit teilte er ziemlich gleichmäßig zwischen der Routine der Krankenhausarbeit und recht langweiligen Vorlesungen vor Medizinstudenten, die ihn mit ihrer jugendlich aggressiven Haltung allmählich immer mehr verschreckten. Und oft baute er ziemlich skurrile Experimente auf – in der verzweifelten Hoffnung, damit einmal genügend Material für eine wissenschaftliche Veröffentlichung zusammentragen zu können.
Während er nun die Polythenplatte aus dem Abfluß herauspopelte, befiel ihn – Philosoph, der er auch war – der Gedanke, daß dieses Plastikstück womöglich Jahrtausende im Abfluß steckengeblieben wäre, weil es niemals, wie gewöhnlicher Abfall, unter dem Angriff von Bakterien zerfallen wäre.
Angriff von Bakterien!
Die Idee war geboren: was wäre, wenn Bakterien dazu gebracht werden könnten, plastischen Abfall anzugreifen? Was, wenn sie durch Züchtung und Gegenzüchtung, durch genetische Mutation mit Hilfe von speziell entwickelten Nukleinsäuren dazu programmiert werden könnten? Was für eine Antwort auf das Problem der Umweltverschmutzung! Eins der drängendsten Abfallvernichtungsprobleme der Welt wäre damit gelöst! Eine grandiose Idee! Seine Fantasie lief Amok – bis schließlich seine sorgsam erworbene Kritikfähigkeit wieder die Oberhand gewann.
Wie viele Generationen waren dafür erforderlich? Wie konnte er sich die dafür notwendige Ausrüstung beschaffen? Welche Arten von DNA und RNA kamen in Frage?
Als er den Abflußdeckel scheppernd schloß, war seine erste Begeisterung fast schon wieder verflogen.
Später an jenem Abend, nachdem er sein gewohntes Glas Dry Sherry zu sich genommen hatte, kehrte die Idee wieder. Und diesmal schlug sie Wurzeln. Unter dem besänftigenden Einfluß des ersten Glases goß er sich ein zweites – viel größeres – ein und begann zu schreiben, tastend zuerst, aber dann nahm das Projekt auf dem Papier mit wachsender Geschwindigkeit Form an. Die Idee war stichhaltig – sie konnte in die Wirklichkeit umgesetzt werden!
Es wurde Mitternacht, er arbeitete immer noch. Schließlich war alles zu Papier gebracht; in seiner beflügelten Fantasie sah er sich schon auf dem Weg nach Stockholm, um den Nobelpreis entgegenzunehmen.
Nach einer Woche hatte er zwar immer noch niemandem etwas erzählt, aber er war nun vollkommen von seiner Idee überzeugt. Er behielt alles für sich. Wenn es klappte, dann waren ihm höchste wissenschaftliche Ehrungen sicher.
Nach und nach suchte er sich im Labor des Krankenhauses seine Ausrüstung zusammen. In seinem Studierzimmer baute er sich seine Gerätschaften auf. Er installierte Regale mit Reagenzgläsern, besorgte sich eine Brutkammer, bis er schließlich ein komplettes bakteriologisches Labor beisammen hatte, ein Pendant seines Krankenhauslabors, nur in kleinerem Maßstab.
Er stürzte sich begeistert auf die Arbeit, verringerte die Zahl seiner Vorlesungen und kam immer früher nach Hause. Sein Gang nahm einen bisher nie gekannten Schwung an und seine Haltung eine rätselhafte Befangenheit, so daß seine Kollegen im Krankenhaus den Verdacht hegten, er habe sich endlich eine Freundin zugelegt. In Wirklichkeit eilte er Tag für Tag mit dem erstmöglichen Zug nach Hause, bedachte seine Frau mit einem flüchtigen Gruß im Vorübergehen, und schloß sich dann unverzüglich in sein Feierabendlabor ein. Seine ersten Versuche machte er mit dem allgemein bekannten Bazillus namens »Bacillus prodigiosus«, dann aber versuchte er, dessen Natur zu verändern.
Zuerst züchtete er den Bazillus in normalen Kulturen, dann nahm er Veränderungen in der Zusammensetzung dieser Kulturen vor, so daß sich die Natur dieses Bazillus von Generation zu Generation wandelte. Er entzog den Bakterien ihre gewohnte Proteinnahrung und ersetzte das Protein durch organische Verbindungen, die in ihrer Struktur der langen Molekularketten von Plastiken glichen.
Alle paar Tage nahm er heimlich einen Objektträger mit seinen Züchtungen mit ins Hospital und
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