Die Poison Diaries
ist.
»Das kannst du besser«, tadelt mich Weed. »Du musst. Weißt du noch, wie du mich zum Essen überredet hast?«
»Ich habe jetzt noch keine Lust zu essen. Ich werde etwas zu mir nehmen, wenn ich mich besser fühle.« Ich bemerke sein Stirnrunzeln. »Warum siehst du so besorgt drein? Ich bin doch beileibe nicht der erste Mensch, dem nach starkem Alkohol schlecht wurde. Das geht vorbei –
mpf!
«
Geschickt schmuggelt er einen Löffel mit Suppe in meinen Mund, gerade als ich zu Ende gesprochen habe. »Ich habe oft erlebt, wie sich der brave Bruder Bartholomew mit seinem Bier hat volllaufen lassen. Danach schlief er wie ein Toter, und am nächsten Tag wachte er mit übelster Laune auf. Sein Kopf tat eine Weile weh, und er jammerte und beklagte sich darüber. Am Abend hatte er sich erholt, und dann ging das Ganze wieder von vorne los.«
»Wäre es dir lieber, wenn ich schlechtgelaunt wäre?«
»Wenn du möchtest.« Er legt seine kühle Hand auf meine Stirn und schiebt ein paar Haarsträhnen beiseite. Die Sorge in seinen Augen ist nicht zu übersehen.
»Weed.« Ich kämpfe mich wieder in eine sitzende Position. »Wie lange bin ich schon im Bett?«
Er erbleicht, aber seine Stimme bleibt ruhig. »Noch nicht lange. Zwei oder drei Tage.«
Drei Tage?
Wie ist das möglich? Wieder versuche ich aufzustehen, aber der Raum fängt an, sich so schnell zu drehen, dass ich wieder ins Bett falle.
»Dann liegt es nicht am Alkohol?«
Er schüttelt den Kopf.
»Bin ich krank?«
»Ich glaube schon.«
»Aber was habe ich denn?«
Er schweigt kurz. »Ich weiß es nicht.«
Ein enger Knoten aus Angst zieht sich in meiner Brust zusammen. »Wo ist Vater?«
»Er ist nach London gefahren, gestern früh. Als er das Haus verließ, hatte er keine Ahnung, wie krank du bist. Du hast noch geschlafen, unruhig allerdings, und ließest dich nicht aufwecken.« Sanft legt er seine Hand auf meine Stirn. »Auch er glaubte, dass dich der Alkohol krank gemacht hat.«
»Das war es wert, um unsere Verlobung zu feiern.« Ich schließe die Augen, öffne sie gleich darauf aber wieder, weil ein plötzlicher Gedanke mein fiebriges Gehirn durchzuckt. Ich greife nach Weeds Hand. »Weed, glaubst du, die Pflanzen kennen eine Medizin gegen meine Krankheit?«
»Ich habe sie schon gefragt«, sagt Weed bedrückt. »Ich bin durch die Gärten gelaufen, durch die Felder und Wälder. Sie sagen, dass sie nichts für dich tun können.«
»Was soll das bedeuten?«
»Ich bin mir nicht sicher.« Seine Stimme klingt erstickt. »Es beunruhigt mich, Jessamine. Sie waren immer so eifrig, so stolz auf ihre Heilkräfte und boten sie mir an, selbst wenn ich nicht darum bat. Jetzt scheinen sie … verängstigt zu sein.«
Ohne, dass ich es will, fallen meine Augenlider zu. »Was immer mit mir los ist, Vater wird mich kurieren. Das weiß ich genau«, murmele ich verschlafen.
»Ich weiß, dass er es versuchen wird«, höre ich Weed noch sagen, ehe ich wieder in tiefen Schlummer sinke.
***
»Wie viel hat sie gegessen?«
»Nur sehr wenig. Ich habe jede Viertelstunde ein paar Löffel von der Suppe, die Sie zubereitet haben, in sie hineingezwungen.«
»Hast du ihr sonst irgendetwas gegeben? Eine Arznei, einen Tee oder etwas Ähnliches?«
»Nein, Sir.«
Meine Hand zuckt hoch, emporgehoben von einer Kraft außerhalb meines Körpers, als ob ich eine Marionette wäre.
»Ihr Puls ist flach und rasend schnell. Die Hautfarbe ist bleich, die Haut selbst kühl. Jessamine? Kannst du sprechen?«
Die Worte dringen als unverständliches Stöhnen aus meinem Mund, was nicht weiter schlimm ist, da ich ohnehin nur wirres Zeug von mir gebe: »Aber Vater, warum darf ich nicht in den Apothekergarten? Ich bin doch kein Kind mehr …«
Meine Hand sinkt zurück auf das Bett. Die Stimmen waschen über mich hinweg, klatschen gegeneinander wie Wellen.
»Sie phantasiert im Fieberwahn.«
»Was ist nur los mit ihr? Diese Krankheit überfiel sie so schnell, so gänzlich ohne Vorwarnung.«
Das scharfe Knallen des Verschlusses von Vaters Arzneitasche. Das leise Klingeln von Glasflaschen, die gegeneinanderstoßen.
»Ob du es glaubst oder nicht: Es gibt einen Zustand, den man liebeskrank nennt.«
»Bitte, MrLuxton, treiben Sie keine Scherze …«
»Ich bin vollkommen ernst. Es ist durchaus möglich, dass dies alles für Jessamine – unschuldig, behütet aufgewachsen, mit einem empfindsamen Gemüt – schlicht und einfach zu viel war. Die Aufregung ist ihr auf die Nerven geschlagen; ihr
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