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Die Poison Diaries

Die Poison Diaries

Titel: Die Poison Diaries Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maryrose Wood
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Körper und ihr Geist sind überwältigt und suchen Zuflucht auf die einzig mögliche Art: Sie ziehen sich in eine Krankheit zurück.«
    »Schlagen Sie etwa vor, dass ich sie verlasse?« Weeds Stimme klingt erstickt. »Denn ich werde nicht … ich kann nicht …«
    »Neiiiiiin!«
Ein tierisch anmutendes Geheul quillt aus meinem Mund.
    Stille.
    »Gut«, sagt Vater nach einer Weile. »Sie wirkt zwar bewusstlos, aber sie kann uns offenbar dennoch hören. Das ist ein gutes Zeichen. Nein, Weed, du gehst nirgendwo hin. Du gehörst hierher, an ihre Seite. Im Moment würde deine Abwesenheit die Sache nur noch schlimmer machen. Sei versichert, ich glaube nicht, dass die Liebe die einzige Erklärung für ihren Zustand ist. Ich vermute viel eher, dass die Aufregung über die Verlobung ihre Konstitution so angegriffen hat, dass sie empfänglich wurde für irgendeine Art von Entzündung oder Schwäche.«
    Ich werfe mich auf dem Bett hin und her. Warum reden sie über mich, als ob ich nicht da wäre? Halten sie mich für tot? Mit übermenschlicher Anstrengung öffne ich die Augen. Das Licht bohrt sich wie zwei glühende Dolche hinein, aber ehe ich sie wieder schließe, sehe ich Weed und Vater mit dem Rücken zu mir Schulter an Schulter am Fußende des Bettes stehen. Sie reden leise miteinander; ich kann ihre Worte kaum verstehen.
    »Ich habe eine Tinktur zubereitet: Katzenminze und Ysop gegen das Fieber, Zimt gegen jede Form von Entzündung, kräftigende gekochte Malvenwurzel, Gewürznelken zur Blutreinigung, Weißdorn zur Stärkung des Herzens – bist du damit einverstanden?«
    Nach einem Moment kommt eine leise, raue Erwiderung: »Es wird nicht schaden. Ich weiß mir auch keinen besseren Rat, Sir. Bitte tun Sie, was Sie für richtig halten.«
    Kurze Stille.
    »Also schön. Du musst ihr alle zehn Minuten einen Löffel davon verabreichen. Es wird ihr vermutlich nicht schmecken, aber das lässt sich nicht ändern.«
    Die Tür schließt sich. Vater hat den Raum verlassen, ich kann es spüren. Weeds Gewicht lässt sich auf der Bettkante nieder. Unwillkürlich rolle ich mich zu ihm, wie eine Sonnenblume, die sich der Sonne zuneigt.
    »Bitte trink das«, sagt er. »Es ist eine Arznei, die dir helfen wird. Nur einen Löffel voll, meine Liebste.«
    Ich gehorche. Die Flüssigkeit ist dicklich und schmeckt nach saurer Milch, Terpentin, Schwefel und Moder – das ekelhafte, schmierige Gebräu läuft mir ölig durch die Kehle. Ich bin zu schwach, um zu würgen.
    »Ist es schlimm?«
    Ich schüttele meinen Kopf und zwinge meine aufgesprungenen Lippen zu einem kaum wahrzunehmenden Lächeln.
    »Es wird dir bestimmt helfen«, sagt Weed inbrünstig.
    »Bestimmt.« Ich öffne meine Augen einen Spalt und beachte nicht den stechenden Schmerz, der sich dadurch in meinen Schädel bohrt. »Siehst du? Ich bin schon kräftiger.«
    Er schaut mich an, als ob ich im Sterben läge.
    Ich liebe dich
, sage ich ohne Worte.
    »Jessamine«, seufzt er traurig. »Oh, meine arme Jessamine. Was habe ich dir nur angetan?«
    ***
    Die Zeit vergeht ohne Maß. Meine Krankheit ist beharrlich. Das Fieber kommt und geht. Ich spüre jedes Mal den dumpfen Druck in meinem Schädel, wenn die Temperatur steigt, und das Zittern und Beben vor Schüttelfrost, wenn es sinkt. Wenn das Fieber seinen Höhepunkt erreicht, wird mein Kopf von merkwürdigen, verschwommenen Bildern überflutet.
    Manchmal glaube ich, aus dem Augenwinkel Gestalten erkennen zu können. Aber wenn ich den Kopf drehe, um sie direkt anzuschauen, sind sie verschwunden. Nur die Geräusche bleiben: das leise Flattern von Vogelschwingen, das sanfte Knarren von Zweigen im Wind, ein dumpfes Summen, wie das Auf und Ab von gemurmelten Gesprächen.
    Und da sind noch andere Stimmen:
    »Die Arznei wirkt nicht.«
    »Das merke ich selbst! Wenn du einen besseren Vorschlag hast: Ich bin ganz Ohr!«
    »Es tut mir leid. Ich wünschte, ich könnte helfen, aber ich kann nicht.«
    »Das ist wenig zufriedenstellend!«
    Vater rast vor Zorn. Ich höre zu, wie er tobt: »Ein Fremder – irgendein Idiot! – haut sich die Axt in den Fuß, und schon sprudeln die Arzneirezepte nur so aus dir heraus. Und jetzt? Nichts! Warum fallen dir ausgerechnet jetzt, wo das Leben deiner zukünftigen Frau auf dem Spiel stellt, nur lahme Entschuldigungen ein? Gibt es denn gar nichts, das dieses geheimnisvolle medizinische Wissen aus deinem Kopf schütteln kann?«
    Kurze Pause.
    »Vielleicht … Weed, wenn du vielleicht … in den Apothekergarten

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